Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Interferometer aus Glasfasern vergleicht Uhren in Paris und Braunschweig

30.03.2017

Das weltweite Netz optischer Glasfaserverbindungen zur Datenübertragung erlaubt es, auf entfernte Instrumente von mehreren Orten gleichzeitig zuzugreifen. Indem solche Verbindungen zu Glasfaser- basierten optischen Interferometern umgebaut werden, können optische Frequenzen über sehr weite Distanzen verglichen werden. An einer 1400 km langen Glasfaserstrecke von Braunschweig nach Straßburg und zurück wurde dies jetzt mit einer Auflösung von wenigen μHz bestätigt, entsprechend einer relativen Frequenzauflösung von 2 · 10–20.

Die Frequenzen von Strontium-Gitteruhren im französischen Metrologieinstitut SYRTE (Paris) und der PTB wurden über Faserverbindungen nach Straßburg (705 km von Paris, 710 km von Braunschweig) verglichen. Eingezeichnet sind die jeweiligen Aufbauten aus Abfragelaser, optischem Gitter, fs-Frequenzkamm, Transferlaser und stabilisiertem Link. Die Differenzfrequenz beider Transferlaser wird in Straßburg gemessen. (Abbildung aus der Originalveröffentlichung: C. Lisdat, G. Grosche, N. Quintin, C. Shi, S.M.F. Raupach et al.: A clock network for geodesy and fundamental science. Nature Communications, 7:12443 (2016), DOI 10.1038/NCOMMS12443)

Eine lasergekühlte Atomwolke in der Strontium-Atomuhr der PTB ist aufgrund des abgestrahlten Fluoreszenzlichts mit dem bloßen Auge sichtbar. Laserkühlung stellt den ersten Schritt bei der Präparation ultrakalter Atome dar, in denen anschließend der Uhrenübergang nahe 429 THz angeregt wird.

Parallel hierzu hat die Uhrenentwicklung spektakuläre Fortschritte gemacht. Optische Uhren, die Laserlicht auf atomare Übergänge stabilisieren, liefern die Frequenz mit einer Messunsicherheit von wenigen 10–18, also etwa einen Faktor 100 genauer als die derzeitigen Cs-Fontänen. Die hohe Genauigkeit ist bisher nur lokal nutzbar, weil die Übertragungstechnik per Satellit eine Frequenzunsicherheit > 10–16 verursacht.

Die interessantesten Experimente mit optischen Uhren basieren aber auf Vergleichen zwischen ihnen, z. B. um die zeitliche Änderung von Naturkonstanten zu detektieren. Ein Frequenzvergleich zwischen zwei Uhren ergibt zudem – über die Gravitationsrotverschiebung, die das Licht zwischen den beiden Orten erfährt – die Höhendifferenz zwischen den Uhren und damit Stützpunkte für die Referenzfläche der Geodäten, das sogenannte Geoid. Im Sonderforschungsbereich 1128 („geo-Q“) wird der Forschungsansatz von Physikern und Geodäten gemeinsam verfolgt.

Zwischen der PTB und dem Partnerinstitut LNESYRTE in Paris wurde nun eine glasfaserbasierte Verbindung realisiert, die schnelle und präzise Uhrenvergleiche mit einer Messunsicherheit < 10–18 erlaubt. Frequenzfluktuationen in der Glasfaser werden um fünf Größenordnungen aktiv unterdrückt und Leistungsverluste von 200 dB (1020) mit speziellen Verstärkern ausgeglichen. PTB und SYRTE haben ihre jeweils stabilsten optischen Uhren, die auf ultrakalten neutralen Strontium-Atomen basieren, über die neue Verbindung verglichen: Bereits nach 1000 Sekunden lag die Instabilität zwischen den Uhren nahe 2 · 10–17.

Die Höhendifferenz ihrer Standorte (22,7 Meter) wurde über die gemessene Gravitationsrotverschiebung innerhalb der kombinierten Messunsicherheit der beiden Uhren von 5 · 10–17 bestätigt. Die hervorragende Konsistenz der Messungen ist auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Neudefinition der Sekunde.