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Vorwort

Die Metrologie hat seit der Gründung der Physikalisch- Technischen Reichsanstalt vor 126 Jahren nichts von ihrer Bedeutung für Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft eingebüßt. Sie wird, im Gegenteil, für eine moderne Industrienation in einer immer komplexer werdenden, global vernetzten Welt immer wichtiger, ja von entscheidender Bedeutung. Die Zukunft verantwortlich zu gestalten, gelingt dabei nur im Bewusstsein und in der Kenntnis der Tradition.

Die gelungene Feier zum hundertjährigen Bestehen des Helmholtz-Fonds sowie die feierliche Auszeichnung der PTB mit ihrem Institut Berlin als „historische Stätte“ der European Physical Society, EPS, beleuchteten dieses Spannungsfeld von Tradition, Wandel und Zukunft auf eindrucksvolle Weise.

So wurde der Helmholtz Fonds u. a. deswegen gegründet, weil die damaligen Mittel „…nicht die für eine im Strome der wissenschaftlichen Entwicklung stehenden Anstalt erforderliche Beweglichkeit und Auskömmlichkeit“ boten. Diese Thematik ist in Form der bisher bei weitem nicht ausreichend auf die PTB übertragenen Flexibilisierungsmaßnahmen des zum 1.1.2013 in Kraft getretenen Wissenschaftsfreiheitsgesetzes, unter anderem im Bereich des Baus, aber auch im Hinblick auf die Vergütung von Spitzenkräften, bis auf den heutigen Tag sehr aktuell, mit erheblichen potenziellen Auswirkungen auf unsere Konkurrenzfähigkeit in der Zukunft.

Herausragende wissenschaftliche Leistungen der Reichsanstalt zu Anfang des 20. Jahrhunderts mit enormer praktischer und wirtschaftlicher Bedeutung beruhten bereits damals auf dem vorausschauenden Aufgreifen zukunftsträchtiger Gebiete und begründeten das Renommee der PTR. Die nun erstmals in Deutschland dafür verliehene EPS-Auszeichnung ehrt die Entdeckung bedeutender grundlegender physikalischer Gesetze und Effekte an der Reichsanstalt, ist jedoch gleichzeitig auch Verpflichtung, immer wieder Arbeitsgebiete zu hinterfragen, um das Aufgreifen neuer Themen möglich zu machen.

Welches sind die zukunftsträchtigen Gebiete in der Metrologie? Wo platziert sich die PTB heute in einem im Vergleich zu damals viel komplexer gewordenen Umfeld in der Dienstleistung und der wissenschaftlichen Forschung in Deutschland, Europa und der Welt? Wie können wir Synergien mit Universitäten zur Erfüllung unserer Aufgaben noch besser nutzen und welche formalen Spielräume und Randbedingungen brauchen wir dafür? Diese und andere Fragen wurden zum Auftakt des Jahres intensiv diskutiert.

Drei ehrgeizige Vorhaben wurden identifiziert: die weltbeste Vermessung der Avogadro-Konstanten zur Darstellung des Kilogramm und die präziseste Realisierung des Ampere, beides im „neuen SI“, sowie die Entwicklung und hochpräzise Vernetzung der verlässlichsten und genauesten optischen Uhren der nächsten Generation. Diese Projekte sind gleichzeitig von weitreichender praktischer Bedeutung, werden das Dienstleistungsangebot der PTB signifikant erweitern und haben darüber hinaus wissenschaftliches Entdeckungspotenzial, so z. B. bei der Frage: Sind die Naturkonstanten tatsächlich konstant?

Unsere Dienstleistungen, einschließlich der Politikberatung, sollen unsere Schlüsselrolle im gesetzlichen Messwesen weiter stärken sowie den Einfluss und die Wirkung unserer Arbeit in Politik und Öffentlichkeit ausbauen. Hier wurden in hervorragender Zusammenarbeit mit dem BMWi wesentliche Beiträge zur Ausgestaltung und Umsetzung des neuen Mess- und Eichgesetzes geleistet. Die Einrichtung des Regelermittlungsausschusses unter Leitung der PTB sowie die Fortentwicklung der Konformitätsbewertungsstelle an der PTB werden gerade vorbereitet und sind unter anderem der Garant dafür, dass die PTB auch langfristig eine Schlüsselrolle im gesetzlichen Messwesen einnimmt. Zusammen mit Länderbehörden, staatlich anerkannten Prüfstellen, Wirtschafts- und Verbraucherverbänden werden hier in Zukunft richtungsweisende Entscheidungen für nicht europäisch geregelte Messgeräte getroffen.

Das Aufgreifen von Querschnittsthemen ist aufgrund der breit gefächerten Expertise eine spezifische Stärke der PTB. Das neu aufgestellte Konzept „Metrologie für die Energiewende“ wurde im Ministerium vorgestellt, Workshops fanden statt und werden Anfang 2014 im Bereich „Kraftwerkseffizienz“, „Zentrum für Windenergie“ sowie „Gasnetze“ weiter vertieft. Das Thema „Gesundheit“ wurde als neues Querschnittsthema im Rahmen eines Workshops diskutiert und identifiziert und soll neu aufgegriffen werden. Nicht zuletzt wird die „Nanometrologie“ mit der gemeinsamen Einwerbung des „Laboratory for Emerging Nanotechnology“ (LENA) unter Federführung der Technischen Universität (TU) Braunschweig und einer Fördersumme von ca. 28 Mio. € sowie der hervorragenden Beurteilung der beantragten NanoMet-Graduiertenschule durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) weiter gestärkt.

Die erfolgreiche Kooperation in der Nanometrologie bildet gleichzeitig den Kondensationskeim einer erweiterten Zusammenarbeit mit der TU, die unter neuem Namen, „Metrologie-Initiative Braunschweig“ (MIB) nicht nur die fortgeführte „International Graduate School of Metrology“ (IGSM) beinhaltet, sondern darüber hinaus durch gemeinsame Berufungen, auch von Nachwuchswissenschaftlern, sowie durch Beiträge der PTB zur Lehre nachhaltig erweitert werden soll. Zusammen mit weiter ausgebauten Kollaborationen mit der Universitätsklinik Charité, der Technischen Universität in Berlin und der Leibniz-Universität in Hannover, hier u. a. mit einem gemeinsam beantragten Sonderforschungsbereich, wollen wir die Synergie mit den benachbarten Universitäten stärken und ausbauen.

Die Metrologie in Europa geht mit dem „European Metrology Programme for Innovation and Research“ (EMPIR), das 2013 wesentliche inhaltliche und politische Fortschritte machte, von allen Gremien positiv bewertet wurde und bereits 2014 mit einem voraussichtlichen Gesamtumfang von ca. 600 Mio. € über sieben Jahre starten soll, in großen Schritten weiter voran. Darüber hinaus formen sich gerade mehrere, teilweise noch „virtuelle“ Europäische Zentren, alle mit Beteiligung der PTB, wie zum Beispiel in der Erdbeobachtung, der Metrologie in der Chemie oder der metrologisch-mathematischen Modellierung, mithilfe derer für neue, oft aus Projekten im laufenden europäischen Metrologie-Forschungsprogramm EMRP hervorgegangene Dienstleistungen, die auf europäischer Ebene nachhaltigen Bedarf erwarten lassen, eine dauerhafte Plattform geschaffen werden soll.

Die PTB spielt in weiter zunehmendem Maße eine wichtige Rolle in der weltweiten Metrologie nicht nur durch Mitarbeit in zahlreichen wichtigen internationalen Gremien, unter anderem der Meterkonvention, sondern durch nochmals deutlich gesteigerten Projektumfang im Bereich der technischen Zusammenarbeit, meist unterstützt und in Kooperation mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Um all dies weiter zu verfolgen und die Stellung der PTB als eines der führenden Metrologie-Institute international zu sichern und auszubauen, brauchen wir attraktive Arbeitsbedingungen für hochmotivierte Mitarbeiter/innen und zur Gewinnung externer Spitzenkräfte. Hierzu wurden unter anderem die Kinderbetreuungsmöglichkeiten weiter verbessert, die Modelle zur Tele- und Teilzeitarbeit weiter ausgebaut und die Gesundheitsvorsorge intensiviert. Ein sehr wichtiges Thema in diesem Zusammenhang sind die Perspektiven der zeitlich befristeten Mitarbeiter/innen an der PTB, die aufgrund der Einsparung von Dauerstellen in der Vergangenheit eine zunehmend wichtige, unverzichtbare und inzwischen oft tragende Rolle, insbesondere bei der Erfüllung unserer Aufgaben in der Forschung, spielen. Da wir aufgrund der nach wie vor sehr beschränkten Möglichkeiten leider bei weitem nicht allen Geeigneten eine permanente Perspektive an der PTB eröffnen können, muss es unser vordringlichstes Anliegen sein, zum einen hervorragende Arbeits- und damit Weiterqualifikationsmöglichkeiten zu bieten und zum anderen klare Rahmenlinien hin zu einer dauerhaften Anstellung an der PTB aufzuzeigen.

Die PTB konnte auch in diesem Jahr ihren Platz unter den Spitzeninstituten der Metrologie eindrucksvoll bestätigen, sodass wir gut gerüstet in die Zukunft gehen. Ich bedanke mich bei allen, die tatkräftig dazu beigetragen haben, und wünsche uns „PTBisten“ weiterhin viel Freude, Begeisterung und Erfolg bei der Arbeit sowie den Mut, die Kraft und die Bereitschaft, den Wandel für die Zukunft weiter gemeinsam zu gestalten.

Joachim Ullrich

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