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maßstäbe Heft 6: Zeitgeschichten

Impressum

Herausgeber:
Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig und Berlin

Redaktion: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, PTB
Postfach 3345, 38023 Braunschweig
Telefon: (05 31) 592-30 06
E-Mail: presse(at)ptb.de

Redakteure: Jens Simon (verantwortlich), Erika Schow

Autoren: Jörn-Uwe Barz, Rolf Buchholz, Birgit Ehlbeck, Bernd Eusemann, Julia Förster (fö), Frank Frick, Nicole Geffert, Andrea Hoferichter (ah), Ute Kehse, Jan Oliver Löfken (jol) , Brigitte Röthlein (rö), Dörte Saße (ds), Rainer Scharf, Axel Tillemans (at)

Layout: Jörn-Uwe Barz

Grafik: Björn Helge Wysfeld (wysi)

Fact checker: Bernd Warnke

Redaktionsassistenz: Cornelia Land

Druck:
FischerDruck, Peine

Alle Rechte vorbehalten. Bitte geben Sie bei einem auszugsweisen Nachdruck Quelle und Autor an und benachrichtigen Sie die Redaktion.
Braunschweig, September 2005

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

für alle, die es noch nicht wissen, will ich es gleich zu Anfang sagen: In Braunschweig wird die Zeit gemacht. Allen, die in Braunschweig leben, ist dies eine Selbstverständlichkeit, die gar nicht zu hinterfragen ist. Rührt diese Selbstverständlichkeit daher, dass Braunschweiger, da sie ja "vor Ort", also an der Quelle sind, einen leichteren Zugang zur Zeit haben? Dass sie beim Zeit-Einkauf ("Ich hätte gerne drei Pfund Sekunden. Die aus dem Angebot!") vielleicht Sonderkonditionen erhalten? Selbstabholer-Rabatte? Nein, so ist es natürlich nicht. Wahr ist dagegen, dass der Satz "In Braunschweig wird die Zeit gemacht" anscheinend tief im Bewusstsein der Bevölkerung verankert ist, wie auch neulich eine kleine Umfrage in der hiesigen Fußgängerzone zeigte. Auf die Frage, was ihnen denn zum Begriff "Atomuhr" einfalle, antworteten nahezu ausnahmlos alle: Braunschweig. Dann - mit und ohne Zögern - sagten fast alle auch noch: PTB. Und einem Experten vom Stadtmarketing, der, gerade auf der Suche nach "Alleinstellungsmerkmalen" für die Stadt, auch noch des Weges lief, tränten bei diesem engen Begriffspaar "Braunschweig und Zeit" vor Freude die Augen.

All dies bedenkend ist es allerhöchste Zeit, dass sich die maßstäbe dieser prominentesten PTB-Größe annehmen. Die Zeit ist ja die physikalische Größe, die sich am genauesten von allen Größen messen lässt: Die Atomuhren der PTB produzieren Sekundenticks bis auf unglaubliche fünfzehn Stellen hinter dem Komma. In einer Institution wie der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, in der es auch um das Nonplusultra an Genauigkeit geht, ist dies zwangsläufig ein prominentes Aushängeschild. Von Atomuhren wird also die Rede sein, davon, wie sie funktionieren und wozu man sie braucht. Aber nicht nur dies. Atomuhren werden sogar selbst zu Wort kommen, und wer Zeitgeschichten erzählen will, der darf freilich nicht bei Atomuhren Halt machen. Und so gehen die maßstäbe, wie es ihre Art ist, auf die Reise und suchen die Zeit auch anderswo: in der Vergangenheit und in der Zukunft; bei Hirnforschern, mittelalterlichen Mönchen und Philosophen; in einer Silbermine in Nevada und unter einem Apfelbaum im Garten.

Zudem erzählen diese maßstäbe einige Zeitgeschichten aus sehr persönlicher Perspektive, die allerdings, so die Redaktionsmeinung, dem Thema durchaus angemessen ist. Ob dies gelungen ist, müssen wie immer Sie, liebe Leser, beurteilen. Und, auch dies wie immer: Wir freuen uns, falls Sie uns Ihre Meinung sagen wollen. Eine kleine Auswahl von Stimmen zu bisher erschienen Ausgaben haben wir erstmals hier versammelt.

Wenn Sie sich jetzt etwas Zeit nehmen wollen, wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Blättern und Lesen durch unsere Zeitgeschichten. Falls Sie keine Zeit haben, tut es mir Leid: Unser Super-Sonderangebot von Minuten im 60er-Pack ist gerade ausgegangen.

Ihr Jens Simon

Eins, zwei, drei, im Sauseschritt ...

Foto: Joe Bator, Corbis
Foto: Joe Bator, Corbis

Alle die Definition der "Zeit" betreffenden Schwierigkeiten könnten dadurch überwunden werden, dass ich an Stelle der "Zeit" die "Stellung des kleinen Zeigers meiner Uhr" setze.
- Albert Einstein

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Zeit existiert, basta!

Fotos: www.okerland-archiv.de
Fotos: www.okerland-archiv.de

Autor: Axel Tillemans

Wissen Sie, was Zeit ist? Das fragen sich Physiker seit Generationen und rätseln immer noch, warum die Zeit immer nur von der Vergangenheit in die Zukunft fließt.

Für Isaac Newton (1643-1727) war die Welt noch in Ordnung. "Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand", behauptete er in seinen 1686 vollendeten "Principia". Er schrieb der Zeit damit mehrere Eigenschaften zu: Erstens ist sie absolut, also an jedem Ort des Universums die gleiche. Insbesondere werden sich verschiedene Beobachter - auch dann, wenn sie sich relativ zueinander bewegen - immer darüber einig werden, ob zwei bestimmte Ereignisse gleichzeitig geschehen oder nicht. Zweitens vergeht die Zeit gleichförmig. Sie legt also keine "Zwischenspurts" ein oder macht einfach mal Pause. Subjektiv hat zwar jeder von uns in manchen Situationen schon die Erfahrung gemacht, dass die Zeit scheinbar mal schneller, mal langsamer vergeht, manchmal sogar stillsteht. Aber ein Blick auf eine Uhr lässt die meisten von uns auch in solchen Situationen nicht daran zweifeln, dass die Zeit objektiv gleichmäßig fortschreitet. Drittens steht die Zeit zu keinem äußeren Gegenstand in Beziehung. Es gibt nach Newton also nichts - keine Maschine, keine Wechselwirkung, kein Naturgesetz - was den gleichförmigen Fluss der Zeit irgendwie beeinflussen könnte...

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AMK, die Zeitmatrix und ich - ein Tagtraum

Autor: Jens Simon

Neulich im Garten gelegen, auf der Liege unterm Apfelbaum, herrlichstes Sonnenwetter, wunderbare Ruhe, das Buch sinkt auf die Brust, Lider fallen zu. Die Zeit scheint stillzustehen.

Zeit? Stillstand? Das passt doch gar nicht zusammen, denke ich. Die Zeit ist doch ein Fluss, ein reißender Strom. Nichts kann an seinem "zeitlichen Ort" bleiben, sondern wird doch immerfort mitgerissen von einer Gegenwart in die nächste, welche gerade noch Zukunft war und gleich schon Vergangenheit sein wird...

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Bist du Eulen?

Foto: Workbookstock.com/mauritius images
Foto: Workbookstock.com/mauritius images

Autorin: Birgit Ehlbeck

"Bist Eulen?", fragt Ernst Jandl in einem Gedicht. - Ja, bin Eulen! - möch-te ich ausrufen, anders kann es gar nicht sein. Meine innere Uhr geht leider ganz nach der Eule, spät fidel und morgens, nun ja, schweigen wir drüber ... Dass das so ist, hat leider ganz klar Nachteile - sprechen wir zunächst von den Vorteilen.

Jandl nennt die Eule; bei Shakespeare ruft in der berühmten Szene, in der Julia und Romeo sich näher kommen, die Nachtigall ... und solange sie ruft, bleibt Zeit für innige Küsse. Die Nachtigall singt - die Lerche schweigt - noch dämmert es nicht! Kein Zweifel: Dem Nachtschwärmer - und wieviel mehr dem Liebespaar, dem es mit Leichtigkeit gelingt, nächtens die Zeit anzuhalten - gehört die Sympathie der Dichter! Im Zeichen der Muse singt die Nachtigall, für die Lerche bleibt - ja was? Natürlich der Fleiß! Die emsige Lerche fängt als früher Vogel ganz sicher den Wurm, hat aber - davon ist auszugehen - wesentlich weniger zu lachen und kann beckmesserisch nur an das Tagwerk und den zügigen Abschied von jeder Träumerei mahnen...

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Wenn Tage im Zeitloch verschwinden

Grafik: wysi
Grafik: wysi

Autor: Bernd Eusemann

Die Null ist alles. Und ohne Null alles nichts. Schließlich braucht, wer zählen will, einen Anfang. Doch wie den Anfang finden? Die Zivilisationsgeschichte kennt hier viele Antworten. Im römischen Reich diente ursprünglich das mythologische Gründungsdatum Roms ("ab urbe condita") ebenso als Nullpunkt wie die persönlichen Daten bestimmter Konsuln und Kaiser. Doch Rom war nicht nur heidnisch, sondern wurde auch zum Kristallisationskeim des aufstrebenden Christentums – und dies nicht ohne Auswirkungen auf den Kalender. Die Urchristen hatten nämlich begonnen, die wachsende Zahl von Märtyrern und Heiligen auf die einzelnen Tage zu verteilen. So gewann - im Verein mit den hohen Festtagen - der römische Kalender doch allmählich christliches Gepräge. Bis im 2. Jahrhundert nach Christus offenbar auch der alte, heidnische Nullpunkt langsam als Fremdkörper empfunden wurde. Damals tauchen jedenfalls Geburt und Passion des Herrn als weiteres Zeitmaß daneben auf. Offiziell wird es aber erst im Jahre 525, als Abt Dionysius Exiguus den gebräuchlichen Kalender des Kaisers Diokletian brandmarkt: Das christliche Jahr dürfe sich nicht nach einem schlimmen Christenverfolger richten! So definierte man den Nullpunkt neu und setzte die Geburt Christi an den Beginn der Zeitrechnung. Eine Definition, die für unseren Kalender bis heute gilt...

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Wie lang ist das Jetzt?

Foto: www.okerland-archiv.de
Foto: www.okerland-archiv.de

Autorin: Dörte Saße

"Gegenwart, das ist jetzt. In diesem Augenblick", sagen die Kinder. "Der Moment ist zu Ende, wenn man das Wort "Augenblick" gesagt hat." Alex meint: "Der Augenblick dauert eine Sekunde und bei Mama manchmal viel länger." Und Bini definitiv: "Die Gegenwart ist vorbei, wenn es zu lange gedauert hat."

Warum ich das von ihnen wissen will? Vor einigen Tagen hat sich das Thema "Gegenwart" in mein Hirn geschlichen und festgesetzt. Jetzt schiebt sie sich von Zeit zu Zeit wieder in die Erinnerung, im Moment immer häufiger. "Moment" im Sinne von "dieser Tage". Doch streng genommen ist der Moment, sagt mir der Brockhaus, der "Augenblick, Zeitpunkt, eine sehr kurze Zeitspanne"..

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Auszeit

Foto: Susanne Hübner
Foto: Susanne Hübner

Autor: Jens Simon

Kommt Leser, setzt euch auf die Bank. Auszeit! Und tief durchatmen. Nun: Das war ja schon ganz gut, wie ihr den Tillemans stehengelassen habt. Einfach dran vorbeigezogen. Der konnte ja gar nicht so schnell hinterhergucken. Aber von dem Simon habt ihr euch reinlegen lassen. Der hat euch mit Sonnenliege und Apfelbaum in Sicherheit gewiegt - ihr habt prompt eure Defense vernachlässigt - und schon war's passiert. Nach dem Dunking haben sie Auftrieb bekommen und mit der Ehlbeckschen Eule gleich noch einen nachgelegt. So einfach dürft ihr euch nicht ausspielen lassen. Bei dem Eusemann und der Saße wart ihr da zwar schon mehr auf Zack. Aber optimal war es nicht. Ihr könnt das noch besser. Lasst euch nicht die Taktik des Gegners aufzwingen. Bestimmt wechseln die jetzt komplett aus. Können die sich auch leisten bei ihrer tief besetzten Bank. Ihr beiden - ja ihr - passt bloß auf, wenn gleich die Schow und die Röthlein auflaufen, die haben ein heißes Händchen an der Dreipunktelinie. Und auf keinen Fall die Förster fou-len. Sonst können wir ihr gleich die Punkte schenken - bei ihrer 100-%-Freiwurfquote. Darum: Wir stellen jetzt um auf Zonenverteidigung. Das wird auch wichtig, falls die ihre Joker aufs Feld schicken: den Buchholz und den Frick mit ihrem starken Zug zum Korb. Also: Geht raus aufs Parkett und gebt euer Bestes. Macht euer eigenes Spiel!..

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Eine Sekunde, Herr Newton

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Lerchenweg 3a
D-85764 Oberschleissheim

fon: +49 (0)89 31 59 42 50
fax: +49 (0)89 31 59 42 52
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Autorin: Erika Schow

Newtons Studierzimmer: Schreibpult, Spiegel, Wanduhr, daneben ein golden gerahmter Spruch: "Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand." (Sir Isaac Newton)

Newton (in eine Robe des 17. Jahrhunderts gekleidet) steht vor dem Spiegel, pudert sich die Perücke und übt eine Rede:
Liebe Kollegen, liebe Freunde. Dass ich hier als Präsident der ehrwürdigen Royal Society vor Ihnen stehe, erfüllt mich mit großem Stolz. Es ist dies eine wirkliche Zeitenwende: Zu Recht hat mein fundamentales Werk mir nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch diesen Posten verschafft: Die "Philosophiae naturalis principia mathematica" sind nichts weniger als der Beginn einer neuen Epoche. Mit dem Jahr ihres Erscheinens, 1687, ist die Welt berechenbar geworden. Seitdem lassen sich all die großen Phänomene unserer Welt ewiggültigen mathematischen Prinzipien unterwerfen. Das Subjektive hat seine Dominanz verloren. Wichtig ist das Objektive, das Ewiggültige, das Messbare. Ja, selbst die Zeit ... (Er wirft einen Blick auf den Spruch an der Wand) ... habe ich entsubjektiviert...

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Wie Stunde, Minute und Sekunde in unseren Alltag kamen

Zeit zum Abseilen: Eine der vier Uhren des Londoner Wahrzeichens Big Ben wird am 20.8.2001 von Männern, die durch Seile gesichert sind, gereinigt. Keine leichte Aufgabe für das Team, denn jede Uhr ist 23 Quadratmeter groß und die Aktion findet in Schwindel erregender Höhe statt. Allein der Minutenzeiger misst 4, 5 Meter. Der ganze Turm ist über 100 Meter hoch. Das letzte Mal wurden die Uhren im Jahr 1995 sauber gemacht - deshalb wurde es allmählich wieder Zeit für eine Reinigung..
Zeit zum Abseilen: Eine der vier Uhren des Londoner Wahrzeichens Big Ben wird am 20.8.2001 von Männern, die durch Seile gesichert sind, gereinigt. Keine leichte Aufgabe für das Team, denn jede Uhr ist 23 Quadratmeter groß und die Aktion findet in Schwindel erregender Höhe statt. Allein der Minutenzeiger misst 4, 5 Meter. Der ganze Turm ist über 100 Meter hoch. Das letzte Mal wurden die Uhren im Jahr 1995 sauber gemacht - deshalb wurde es allmählich wieder Zeit für eine Reinigung..

Autoin: Erika Schow

Seit eh und je liefert die Erde den Menschen ihren Rhythmus: Die Zeitspanne, die sie braucht, um sich einmal um sich selbst zu drehen, nennen wir Tag. Für kleinere Zeitintervalle liefert uns die Erde jedoch keine Hinweise. Die Menschen mussten eine willkürliche, aber möglichst praktische Unterteilung finden. Unser heutiges System geht vermutlich zurück auf das Sexagesimalsystem der Sumerer (ca. 3000 v. Chr.) mit der Zahl 60 als Basis: 1 Tag = 24 Stunden (2 · 12) = 1440 Minuten (2 · 12 · 60) = 86 400 Sekunden (2 · 12 · 60 · 60). Das Zwölfersystem (auch 60 sind ja fünfmal zwölf) hat sich auch deswegen neben dem sonst üblichen Zehnersystem bei anderen Einheiten erhalten, weil die Zwölf sich besser unterteilen lässt.

Im Mittelalter grübelten die Menschen erneut darüber nach, wie man den Tag unterteilen kann, und machten diverse fantasievolle Vorschläge dazu. Beispielsweise schlug Beda vor, die Stunde in 4 punctos oder 10 minuta oder 15 partes oder 40 momenta zu unterteilen. Doch schließlich setzte sich die Idee der Sumerer wieder durch. Das System passte am besten zur neu entwickelten mechanischen Uhr. (Die Wissenschaftler wissen nicht exakt, wann sie entstand. Soweit sind sie aber einig: Es war nicht vor 1270 und nicht nach 1320.) Und vermutlich seit dem Jahr 1345 heißt es endgültig (und zwar auch unter diesen Namen): Eine Stunde sind 60 Minuten à 60 Sekunden. Wann genau die Namen entstanden sind, weiß man nicht. Aber man kennt ihre sprachliche Herkunft aus dem Altgermanischen und Mittelhochdeutschen (stunde, stunt: Zeitabschnitt) beziehungsweise aus dem Lateinischen (minutus: sehr klein, secundus: der Reihe nach folgend)...

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Immer genauer

Grafik: Alberto Parra del Riego
Grafik: Alberto Parra del Riego

Autorin: Erika Schow

Über mehr als 13 Zehnerpotenzen ist die Genauigkeit von Uhren in rund 1000 Jahren gestiegen. Zuerst tüftelten die Uhrmacher immer bessere mechanische Uhren aus. Dann kamen die Quarzuhren, bei denen auch ein mechanischer Körper schwingt, aber die Schwingungen werden elektrisch angeregt und ausgezählt. Zudem schwingt der Quarz viel schneller als ein Pendel oder eine Unruh. Als die Uhrenbauer die Welt der klassischen Physik verlassen und gewissermaßen in die Quantenwelt eintauchen, indem sie die noch viel schnelleren Vorgänge im Inneren von Atomen nutzen, schnellt die Kurve weiter in die Höhe. Die derzeit besten Atomuhren, die Cäsium-Fontänen, müssten 30 Millionen Jahre laufen, bis sich ein Gangfehler von einer Sekunde eingeschlichen hätte.

Was ist eigentlich eine Uhr? Etwas, das einen periodischen Vorgang zählt. Ein solcher periodischer Vorgang ist auch die Drehung der Erde um sich selbst, die, so glaubte man lange, absolut regelmäßig ist. Zwar gibt es außer Sonnenuhren (die eindeutige Nachteile haben, beispielsweise jenen, dass sie bei Wolken und in der Nacht nicht funktionieren) nur wenige einfache technische Hilfsmittel, um die Drehung der Erde direkt zu zählen. Dennoch legte sie die Tageslänge fest, woraus später - als Grundeinheit der Zeit - die Länge der Sekunde abgeleitet wurde...

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Energieniveaus, Fontänen und Atomfallen

Foto: PTB
Foto: PTB

Autorin: Brigitte Röthlein

Uhren sind Statussymbole. Früher galt der Mann von Welt als wohlhabend, wenn er eine dicke französische Taschenuhr, eine Zwiebel, aus der Westentasche hervorzog, heute zeigt die edle Armbanduhr am Handgelenk, dass man zu denen gehört, die sich etwas leisten können. Und beispielsweise die Zytglogge am Berner Stadttor oder der Londoner Big Ben sind Touristenattraktionen und berühmte Zeitgeber für ihre Stadt.

Auch die Nationen haben ihre Vorzeige-Uhren. Sie sind ausschlaggebend dafür, welche Position das Land in der wissenschaftlichen Gemeinschaft der Metrologen einnimmt und welche Rolle es spielt bei der internationalen Festsetzung und Kontrolle der Zeit. Die deutschen Spitzenuhren findet man in Braunschweig, in der Bundesallee 100. Dort, in der sorgfältig von der Umwelt abgeschirmten Uhrenhalle der PTB, leben drei Generationen von Uhren unter einem Dach. "Leben" ist hier das richtige Wort, obwohl es sich natürlich nur um Gegenstände handelt. Aber die Braunschweiger Uhren leben in zweierlei Hinsicht: Erstens arbeiten sie unermüdlich, und zwar sehr genau, und zweitens werden sie von ihren Betreuern ständig weiterentwickelt, verbessert und verfeinert. Ein unaufhörlicher Reifeprozess ist das, der dazu führt, dass die Zeitmessung immer zuverlässiger und genauer wird...

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Wie kommt die Zeit in mein Schlafzimmer?

621921, Frau blickt um 2 Uhr morgens schlaftrunken auf die Digitalanzeige des Weckers - Schlafstoerung.
Oesterreich, Europa.
(www.illuscope.com, © Mibe, ILLUSCOPE digital solutions GmbH, Lienfeldergasse 48, A-1160 Vienna, Austria, +43-1-484 15 15 142, anfrage@illuscope.com)
621921, Frau blickt um 2 Uhr morgens schlaftrunken auf die Digitalanzeige des Weckers - Schlafstoerung.
Oesterreich, Europa.
(www.illuscope.com, © Mibe, ILLUSCOPE digital solutions GmbH, Lienfeldergasse 48, A-1160 Vienna, Austria, +43-1-484 15 15 142, anfrage@illuscope.com)

Autorin: Nicole Geffert

"Tickst du noch ganz richtig?" Ungläubig blicke ich aufs Zifferblatt meines Weckers. Statt mich - wie am Vorabend auf Knopfdruck vereinbart - um 6 Uhr zu wecken, hat er seinen Dienst kurz nach zwei eingestellt. Die Zeit war stehen geblieben. Aber nur in meinem Schlafzimmer. Draußen ist es taghell, und mir dämmert es: Ich habe verschlafen.

Auf meine innere Uhr ist offensichtlich auch kein Verlass. Woher wussten die Menschen in Zeiten, als noch keine Wecker auf den Nachttischen tickten, wann sie aus den Federn mussten? Die sind einfach mit den Hühnern aufgestanden! Sprich: Sie passten sich dem natürlichen Rhythmus von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang an. Auf die Minute kam es dabei nicht an. Aber wann erwacht so ein Huhn, und wie würde ich merken, dass es aufgestanden ist? Wir leben ja nicht mehr mit dem Kleinvieh unter einem Dach....

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Zeit ist Ort

Foto: Galileo Industries
Foto: Galileo Industries

Autor: Rainer Scharf

Mit 250 Stundenkilometern rast der ICE durch die Nacht. Ich bin irgendwo auf der Strecke zwischen Frankfurt und Köln. Und jetzt wüsste ich gerne, zu welchem Ort die Lichter da draußen gehören. Nun, für den geübten Dreisatzrechner ist das kein Problem: Ein Blick auf die Uhr (wie lange sind wir schon unterwegs?), ein Blick in den Fahrplan (wann ist der Zug wo zu erwarten?), ein wenig Kopfrechnen - und die Sache ist klar: Es muss Limburg sein. Mit Hilfe der Zeit den Ort zu ermitteln hat schon vielen Reisenden geholfen - von den Seefahrern des achtzehnten Jahrhunderts bis zu denjenigen, die heutzutage einen GPS-Empfänger im Auto haben.

Das Problem begann, wenn ein Seefahrer das Land nicht mehr sehen konnte. Dann musste er sich an den Längen- und Breitengraden orientieren. Den Breitengrad zu bestimmen, auf dem sich das Schiff gerade befand, war ja noch einfach. Schon im 15. Jahrhundert schafften portugiesische Seefahrer dies anhand der Höhe des Polarsterns über dem Horizont. Oder sie maßen zur Mittagszeit die Höhe der Sonne und schauten dann den Breitengrad in einer Tabelle nach. Heute kann man auf diese Weise die Nord-Süd-Position eines Schiffes auf einige hundert Meter genau ermitteln...

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Meine Zeitreise mit C9

Ankunft in Südamerika mit der DC-8: C9 (vorne), Peter Hetzel (ganz links) und Lothar Rohbeck (hinten Mitte)
Ankunft in Südamerika mit der DC-8: C9 (vorne), Peter Hetzel (ganz links) und Lothar Rohbeck (hinten Mitte)

Autorin: Julia Förster

Wann die Reise anfing, völlig irrwitzig zu werden – daran erinnere ich mich genau. Es war kurz nach dem Start in Frankfurt, als die Anschnallzeichen erloschen. Aber eigentlich hatte es schon früher begonnen. Allein die Anzeige: "Reisebegleitung gesucht; mit C9 nach Südamerika ..." Als sich herausstellte, dass C9 eine seriöse Uhr ist, also keine bösen Überraschungen zu erwarten waren wie sonst bei Reisezweckgemeinschaften, hatte ich zugesagt. C9 wurde von ihren Betreuern von der PTB mit Reisestromversorgung ausgestattet, mir gab man die Flugtickets. Erste Etappe: Frankfurt - Dallas.

"Würden Sie mich bitte auch abschnallen", sagte C9 leise, aber unüberhörbar. Wie lange ich mit offenem Mund und ohne einen einzigen Gedanken im Hirn auf die Kiste neben mir starrte, weiß ich nicht mehr. C9 hätte es auf die Nanosekunde genau gewusst, aber ich habe versäumt, sie zu fragen. Ich schaute mich einige Male unauffällig um. War die Versteckte Kamera in der Nähe? War ich Teil eines psychologischen Experiments?..

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Die Radio-Uhr

Elfenbeinskulpturen aus der Vogelherdhöhle (Löwe)
Fotos: Jensen, Universität Tübingen
Elfenbeinskulpturen aus der Vogelherdhöhle (Löwe)
Fotos: Jensen, Universität Tübingen

Autorin: Andrea Hoferichter

Zunächst dachte Pieter Grootes, Professor am Leibniz-Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung der Universität Kiel, er hätte sich geirrt. Auf höchstens 5000 Jahre brachte es seinen Messungen zufolge der Menschenschädel, der aus der Vogelherdhöhle auf der Schwäbischen Alb stammte. Doch Kontrollmessungen bestätigten den Befund. Ein Schock für viele Archäologen. Jahrzehntelang waren sie davon ausgegangen, der zum Schädel gehörende Mensch hätte zig Jahrtausende früher gelebt. Schließlich lagen seine Gebeine neben filigranen Skulpturen aus Mammut-Elfenbein, die aus der jüngeren Altsteinzeit stammen und demnach rund 35 000 Jahre alt sind. Als das Skelett auftauchte, hatte man vermutet, jetzt den dazugehörigen Künstler gefunden zu haben – und damit einen Beweis dafür, dass anatomisch moderne Menschen die ersten Kunstschaffenden Europas waren. Nun, da klar ist, dass dieser Mensch in einer viel späteren Zeit dort begraben wurde, ist die Frage wieder offen: Waren die ersten Künstler etwa doch Neandertaler? Zwar gelten sie gemeinhin als etwas tumb, waren aber doch zweifelsfrei zur richtigen Zeit im Schwabenländle...

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Wettlauf der Flops

Typischer Fall für einen Supercomputer: die Simulation der Luftströmung um eine Autokarosserie
Bild: HLRS, Stuttgart
Typischer Fall für einen Supercomputer: die Simulation der Luftströmung um eine Autokarosserie
Bild: HLRS, Stuttgart

Autor: Jan Oliver Löfken

Wieviel Information passt in eine Sekunde? Zurzeit: 136 800 Milliarden Rechenschritte eines ganz bestimmten Typs, genannt Fließkommazahlen-Operationen, kurz: Flops. Mit seinen etwa 137 Teraflops ist BlueGene/L in Kalifornien der schnellste Rechner der Welt. Stand: Sommer 2005. Aber der nächste Konkurrent steht schon in den Startlöchern. Denn die Superrechner (oder vielmehr deren Konstrukteure) liefern sich einen atemlosen Wettlauf. Alle sechs Monate wechselt die Spitzenposition in der Top-500-Liste der Supercomputer.

BlueGene/L wurde am Lawrence Livermore National Laboratory in Zusammenarbeit mit IBM gebaut. Er dient unter anderem dazu, die Abläufe bei der Protein-Faltung zu simulieren und so bei der Suche nach neuen Medikamenten zu helfen. Simulationen sind die Hauptaufgabe der Supercomputer. Als vor rund 30 Jahren der erste von ihnen auf den Markt kam - die legendäre Cray 1 -, stürzten sich vor allem Meteorologen und Klimaforscher darauf, um ihre Wettervorhersagen zu verbessern oder die Auswirkungen des Treibhauseffekts abzuschätzen. Heute erobern Simulationen immer neue Disziplinen. Supercomputer imitieren Crash-Tests oder Strömungen um Flugzeugflügel und machen damit aufwendige Messreihen oder teure Prototypen überflüssig. Sie liefern Informationen über die Elektronenbewegungen in neuen Quantenmaterialien oder über die molekularen Abläufe bei chemischen und biologischen Reaktionen und helfen den Wissenschaftlern abzuschätzen, ob sich weitere, zeitintensive Experimente überhaupt lohnen.

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The Long Now Foundation

Der erste drei Meter hohe Prototyp der Long-Now-Uhr steht im Londoner Science Museum. Die Stiftung arbeitet zurzeit an einem zweiten Prototypen von doppelt so großen Ausmaßen.
Foto: The Long Now Foundation (www.longnow.org)
Der erste drei Meter hohe Prototyp der Long-Now-Uhr steht im Londoner Science Museum. Die Stiftung arbeitet zurzeit an einem zweiten Prototypen von doppelt so großen Ausmaßen.
Foto: The Long Now Foundation (www.longnow.org)

Autor: Rolf Buchholz

Nevada. Wüste. Fünf Autostunden nördlich von Las Vegas. Die Geschäftigkeit der Metropole ist einer bizarren Berg- und Wüstenlandschaft gewichen. Die kargen Kalksteinklippen des Great Basin National Park erheben sich 3200 Meter über den Meeresspiegel. Die Bäume - Langlebige Kiefern (lat. Pinus longaeva) -, die sich hier in die Bergrücken krallen, sind die ältesten lebenden Organismen der Welt. Ein idealer Ort für ein Denken in langen Zeiträumen.

Vielleicht sind es Vater und Sohn, die sich auf Pilgerreise begeben haben, nachdem der Sohn alt genug geworden ist, über die Mysterien der Zeit und Zeitlichkeit nachzusinnen...

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Zeit für die Masse

Foto: www.okerland-archiv.de
Foto: www.okerland-archiv.de

Autor: Frank Frick

"Die Zeit flieht. Sie ist nicht greifbar, sie zerrinnt uns zwischen den Fingern. Und doch ist das Tempo, in dem sie sich davonmacht, so exakt definiert wie sonst nichts auf der Welt", begann 1992 ein Artikel im Magazin der Süddeutschen Zeitung. Zwei Absätze weiter: "Die Masse ruht. Das Kilogramm ist eine sehr behäbige, aber ... ziemlich unberechenbare Größe. Wer genau wissen will, wie schwer ein Kilogramm ist, dem bleibt nichts anderes übrig, als nach Paris zu reisen." Diese Sätze über den Unterschied zwischen Zeit und Masse führen mitten hinein in die Arbeit eines exklusiven Zirkels von Experten: Für ein paar Dutzend Forscher weltweit, die ein neues Maß für die Masse suchen, ist die überall mögliche genaue Zeitmessung - Stichwort: Atomuhren - Vorbild und Ansporn.

So ergibt sich eine Verbindung zwischen der Zeit - dem Thema dieser maßstäbe-Ausgabe - und der Suche nach einer Neudefinition des Ur-Kilogramms. Doch eigentlich steht dieser Artikel aus einem anderen Grund hier: Er handelt von Forschung, die Zeit braucht. Und von einem Wissenschaftler, der seit mehr als 15 Jahren an einem weltweit einzigartigen Experiment arbeitet. Und davon, wie er damit umgeht, dass möglicherweise andere Forscher auf anderem Weg in kürzerer Zeit zum Ziel kommen. Sie finden die erste Erklärung dafür, warum hier über "Masseforschung" berichtet wird, überzeugender? Auch gut. Ach ja: Falls Ihnen die Frage auf der Zunge liegt, warum man nur in Paris ermitteln kann, wie schwer ein Kilogramm ist - der Artikel liefert die Antwort...

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Wider die Zeit-Diktate

Foto: Jürgen Becker
Foto: Jürgen Becker

Autoren: R. Buchholz, J. Simon


Interview mit Joachim Koch, Philosoph

Menschen, die sich in unserer heutigen, beschleunigten Gegenwart zum „Verein zur Verzögerung der Zeit“ (gegr. 1990, www.zeitverein.de) zusammengeschlossen haben und die mit Elias Canettis Ausspruch „Wenn das Telefon nicht klingelt – ist es für mich“ sympathisieren, sind natürlich per se interessant. Noch interessanter ist es, mit einem Mitglied dieses Vereins zu sprechen. Für die maßstäbe besuchten Rolf Buchholz und Jens Simon daher am 23. März 2005 den Philosophen Joachim Koch, der nach den beruflichen Stationen „Leiter einer philosophischen Praxis“ und„Berater für Markenphilosophie“ nun als selbstständiger Philosophie-Unternehmer (www.philosophers-today.com) und Autor in Regensburg lebt und arbeitet.

maßstäbe: Herr Koch, wieviel Zeit haben Sie sich heute für Ihr Frühstück genommen?
Koch: Ich habe in aller Ruhe im Bett einen Kaffee getrunken.

Das klingt nach wenig Zeit.
Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe mir mindestens eine Viertelstunde Zeit genommen...

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Das Letzte

Autor: Jörn-Uwe Barz

Eine Sekunde ist eine Sekunde, eine Sekunde . . . eine Sekunde . . .

Meint man. Besonders in der PTB. 9 192 631 770 Schwingungen einer Strahlung, die der Energie-Niveau-Änderung eines Cäsiumatoms entspricht. Physik für Gleichschritt. Enorm!

Mein Körper jedoch empfindet anders: Wie oft tropften die Sekunden gemächlich mit großer Zähigkeit, wenn ich in sehnsüchtiger, freudiger oder auch trauriger Erwartung war? Wie oft hatte ich Mühe, mich am vorbeihuschenden Zeitstrahl festzuklammern, um dran zu bleiben?

Alle diese Zustände unterschiedlichster Zeitwahrnehmung, sie alle wurden x-mal auch von uns "maßstäbe-Machern" erlebt. Manchmal ging's flott von der Hand (besser vom Kopf), machmal wiederum stritten wir tagelang und nichts schien zu gelingen. Letztendlich gelang es dann doch fast immer, wenn auch anders als vom Einzelkämpfer geplant...

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