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maßstäbe Heft 5: Kleine Größen

Impressum

Herausgeber: Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig und Berlin

Redaktion: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, PTB
Postfach 3345, 38023 Braunschweig
Telefon: (05 31) 592-30 06
E-Mail: presse(at)ptb.de

Redakteure: Jens Simon (verantwortlich), Erika Schow

Autoren: Almut Bruschke-Reimer, Birgit Ehlbeck, Anne von Figura, Julia Förster, Frank Frick (ff), Nicole Geffert, Frank Grotelüschen, Monika Herbst, Andrea Hoferichter (ah), Ute Kehse, Jan Oliver Löfken, Brigitte Röthlein, Dörte Saße, Rainer Scharf (rs), Axel Tillemans

Layout: Jörn-Uwe Barz

Grafik: Björn Helge Wysfeld

Fact checker: Bernd Warnke

Redaktionsassistenz: Cornelia Land

Titelassistenz: Helge Lemmel

Druck: FischerDruck, Peine

Alle Rechte vorbehalten.Bitte geben Sie bei einem auszugsweisen Nachdruck
Quelle und Autor an und benachrichtigen Sie die Redaktion.
Braunschweig, Dezember 2004

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

können Sie ein bisschen näher kommen? Noch ein klein wenig? Ich möchte Sie nämlich eine Kleinigkeit fragen. Und dazu wäre es schon gut, wenn wir unter uns sind. Die Physiker in unserem Haus müssen ja nicht sofort mitbekommen, wenn ich gleich am Anfang schon so unwissenschaftlich rede. Also: Wann war eigentlich bei Ihnen zuletzt ein Zwerg zu Hause? Wie, Sie können sich nicht erinnern? Irgendwann, als Sie selbst ganz klein waren und sich noch vor der Grimmschen Hexe gefürchtet und mit dem Schneewittchen gezittert haben? So lange ist das schon her? Aber ich hoffe doch, dass Sie zumindest noch an Zwerge glauben. Bei uns sind jedenfalls gerade einige zu Gast. Die sind ohne langes Zögern unseren Einladungen gefolgt, die wir auf gut Glück an verschiedenen schwarzen Brettern, insgesamt sieben, ausgehängt haben. Eine Einladung - zugegeben: in sehr großer Schrift - haben wir an den Rand der Milchstraße gestellt; die nächste - da hatten wir es nicht ganz so weit - haben wir an die äußerste Kante der Erdscheibe geheftet; die dritte - das war einfach - haben wir auf unsere Schirmmützen geschrieben; die vierte haben wir einem Urlauber mitgegeben, mit der Bitte, sie irgendwo im Sand zu verbuddeln; die fünfte haben wir unter das Mikroskop eines Bekannten geschoben; die sechste - die Miniaturschrift brachte uns schier zur Verzweiflung - haben wir an Richard Feynman (posthum) geschickt; und schließlich die siebte - also die war nun wirklich ganz, ganz klein - haben wir leider irgendwo in Genf verloren.

Und das haben wir nun davon: 18 Zwerge tummeln sich jetzt in unseren Redaktionsbüros und wollen alle - ich kann Ihnen sagen: ganz schön schwatzhaft, die Kleinen - ihre Geschichte loswerden. Da ist einer, der nur von seinen weiten Reisen im interstellaren Raum erzählt, davon, wie dunkel, kalt und einsam es dort ist. Ein anderer schwärmt immerzu von den Kieseln an den Füßen norwegischer Gletscher und beklagt sich, dass er nun irgendwo in einer Dresdener Fabrik Fließbandarbeit leisten muss. Und hören Sie den einen? Den, der da hinten immer "Nano, Nano!" schreit? Der behauptet übrigens von sich, dass er der einzig echte Zwerg unter all den anderen hier ist. Aber diese Einbildung entnimmt er wahrscheinlich lediglich seiner altsprachlichen Bildung, auf die er uns ständig hinweist.

Was wir von all den Zwergen gelernt haben, will ich Ihnen schon einmal vorab verraten: Es ist nicht unbedingt die (Körper-)Länge, die einen Zwerg zum Zwerg macht. Denn neben den "klassischen Längen-Zwergen" gibt es auch noch die Wärme-Zwerge, die Reibungs-Zwerge, die Massen-Zwerge, die Zeit-Zwerge und und und. Die ganze bunte Schar lassen wir nun auf ihren heimischen Bühnen auftreten und wir verraten dabei einige Insider-Informationen zu all den Zwergen-Maßen. Denn natürlich wollten sich unsere kleinen Gäste, schließlich sind sie ja in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, einmal rundum von Kopf bis Fuß ausmessen lassen.

Im Namen der maßstäbe-Redaktion wünsche ich Ihnen eine unterhaltsame Lesereise mit den "Kleinen Größen" ("Nano, Nano!")

Ihr Jens Simon

Nachricht aus der Vergangenheit

Ein Foto aus der Kinderstube des Universums: Über 13 Milliarden Jahre war das „Mikrowellen-Licht“ unterwegs, bevor die Nasa-Sonde WMAP es auffing und Wissenschaftler daraus diese Temperaturkarte des Weltalls errechneten. Die kurz nach dem Urknall freigesetzte kosmische Hintergrundstrahlung erreicht uns heute aus allen Himmelsrichtungen mit einer Temperatur von 2,73 Kelvin – mit winzigen Abweichungen von dieser Durchschnittstemperatur in der Größenordnung von einem tausendstel Prozent. Die Karte zeigt die Abweichungen als bunte Flecken: „wärmere“ Gebiete sind rot markiert, „kältere“ blau. Das ovale Bild ist eine Projektion der gesamten Himmelssphäre. Das gleiche Projektionsverfahren benutzt man, wenn man die Erdoberfläche auf einer flachen Karte darstellt.
Foto: NASA/WMAP Science Team
Ein Foto aus der Kinderstube des Universums: Über 13 Milliarden Jahre war das „Mikrowellen-Licht“ unterwegs, bevor die Nasa-Sonde WMAP es auffing und Wissenschaftler daraus diese Tem­peraturkarte des Weltalls errechneten. Die kurz nach dem Urknall freigesetzte kosmische Hintergrundstrahlung erreicht uns heute aus allen Himmelsrichtungen mit einer Temperatur von 2,73 Kelvin – mit winzigen Abweichungen von dieser Durch­schnitts­temperatur in der Größenordnung von einem tausendstel Prozent. Die Karte zeigt die Abweichungen als bunte Flecken: „wärmere“ Gebiete sind rot markiert, „kältere“ blau. Das ovale Bild ist eine Projektion der gesamten Himmelssphäre. Das gleiche Projektionsverfahren benutzt man, wenn man die Erdoberfläche auf einer flachen Karte darstellt.
Foto: NASA/WMAP Science Team

Autor: Axel Tillemans

Von der Hitze des Anfangs bleibt manchmal nicht viel übrig. Das gilt auch für unser Universum, in dessen Weiten es kalt und leer ist. Doch nicht ganz! Vom Urknall zeugt noch ein schwaches Glimmen, das heute als kosmische Hintergrundstrahlung das ganze All erfüllt. In dieser Strahlung suchen Wissenschaftler nach den Geheimnissen der Schöpfung.

„Sie haben Post.“ Leider fehlte dieser Hinweis, als die späteren Nobelpreisträger Arno Penzias und Robert Wilson von den Bell-Laboratorien im Jahr 1963 mit ihrer Mikrowellenantenne ein Rauschen empfingen. So suchten sie zunächst nach der Ursache des vermeintlichen Störsignals – unter anderem vertrieben sie die Tauben, die in der Antenne brüteten. Erst als die beiden Forscher Kontakt zu dem Astronomen Robert Dicke von der Universität Princeton aufnahmen, stellte sich heraus, dass sie die kosmische Hintergrundstrahlung entdeckt hatten. Damit war ihnen nicht weniger gelungen als die Bestätigung der Urknalltheorie...

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Viel Lärm um Nichts

Ein Klassiker der Vakuumversuche oder: Was man mit einem Schokokuss nicht alles machen kann: Eine Pumpe saugt die Luft aus dem Glaszylinder. Während der Druck abfällt, poppt der Schokokuss auf und verwandelt sich in einen wachsenden Schaumbrei.
Foto: Heiner Müller-Elsner, Focus
Ein Klassiker der Va­ku­um­ver­suche oder: Was man mit einem Scho­ko­kuss nicht alles machen kann: Eine Pum­pe saugt die Luft aus dem Glas­zy­linder. Während der Druck abfällt, poppt der Scho­ko­kuss auf und verwandelt sich in einen wachsenden Schaumbrei.
Foto: Heiner Müller-Elsner, Focus

Autor: Jens Simon

Zwischen der Milchstraße und dem Andromeda-Nebel ist nicht wirklich viel los. Es ist dunkel, es ist kalt und eine freundliche Seele kommt auch selten des Wegs. Hier ist der Ort, wo das Nichts wohl zu Hause sein muss. Das Nichts? Nicht ganz. Schließlich verirren sich ein paar Lichtstrahlen entfernter Galaxien auch in diesen Raum und der verhallende Urknall ließe ein Thermometer – so eines da wäre – auf satte drei Kelvin, also –270 °C, schnellen. Wenn also das Nichts hier doch nicht zu finden ist, dann aber doch bestimmt der leere Raum, der einfach nur er selbst sein darf, völlig befreit von jeder Materie. Aber halt: Zieht da hinten nicht ein Wasserstoffatom vorbei? Und dort ist ja noch eines. Selbst hier ist es also nicht ganz leer, auch wenn dies den Atomen, die sich hierher verirrt haben, kaum helfen wird, müssen sie doch um die hunderttausend Lichtjahre zurücklegen, bis sie, vielleicht, vielleicht, auf einen Artgenossen stoßen. So groß kann Einsamkeit sein. Da dies so ist, ist auch niemand da, den man fragen könnte: Was ist denn nun das Vakuum, die absolute Leere?..

 

 

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Ebenen mit Nanometerhügeln

„Sage mir, wie eben du bist!“ Diese Frage kann Ralf Geckeler auch für große Spiegel sehr präzise beantworten. Selbst Höhenunterschiede von 0,2 Nanometern bleiben nicht unbemerkt.
Foto: PTB
„Sage mir, wie eben du bist!“ Diese Frage kann Ralf Geckeler auch für große Spiegel sehr präzise beantworten. Selbst Höhenunterschiede von 0,2 Nanometern bleiben nicht unbemerkt.
Foto: PTB

Autorin: Ute Kehse

Um zu erkennen, dass die Erde keine Scheibe ist, können wir die Erde auf den Ozeanen einmal umsegeln; oder wir fliegen in Richtung Mond und sehen uns die Erde von außen an; oder – und das ist der kürzeste Weg – wir besuchen die PTB in Braunschweig und staunen darüber, dass sich die Erdkrümmung auch auf spiegelglatten, ebenen Flächen zeigt und dass sich auch Nanometerhügel messen lassen.

Die runde, mit Aluminium beschichtete Glasplatte, etwa 15 Zentimeter im Durchmesser, ist ein perfekter Spiegel. Makellos glänzt die silberne Oberfläche, ohne jede Verzerrung ist die Decke der Versuchshalle im Von-Laue-Bau der PTB in Braunschweig auf der Scheibe zu sehen. Perfekt ist der Prüfling allerdings nur für menschliche Augen: „Das ist nur eine Allerwelts-Planfläche“, sagt Ralf Geckeler von der Arbeitsgruppe „Bildoptik“. Denn in Wirklichkeit türmen sich 30 Nanometer hohe Berge auf der Scheibe, viele Atomdurchmesser tiefe Gräben durchziehen das Werkstück. Kurz: Die Topographie ist so rau wie eine Hochgebirgslandschaft. „Gute“ Flächen sind wesentlich ebener. „Die haben Höhenunterschiede von wenigen Nanometern“, berichtet Geckeler...

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Spuren von Hiroshima

Foto: Marc Steinmetz, Visum
Foto: Marc Steinmetz, Visum

Autoren: A. v. Figura /
­M. Herbst

Westpazifik, 6. August 1945, in den frühen Morgenstunden: Der US-Bomber Enola Gay bricht vom amerikanischen Luftwaffenstützpunkt der westpazifischen Insel Tinian in Richtung Japan auf. Sein Ziel: Hiroshima. Seine Ladung: die 4,5 Tonnen schwere Uranbombe Little Boy.

Hiroshima, 6. August 1945, 8:16 Uhr: In 9000 Metern Höhe wirft die Enola Gay ihre atomare Fracht über Hiroshima ab. Einige hundert Meter über dem Boden wird die Bombe gezündet. Binnen weniger Sekunden verwandelt eine riesige Explosions- und Hitzewelle die Hafenstadt in eine lodernde Hölle. 80 Prozent der Stadt sind zerstört, mehr als 100 000 Menschen sterben in dem Inferno. Hiroshima wird zur Geisterstadt.

Braunschweig im Jahr 2002:

Von Hiroshima über Braunschweig bis tief ins Salz der Asse ..

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Wie man Menschen beim Denken zuschaut

Foto: Adolfo Siurana, Burg Giebichenstein
Foto: Adolfo Siurana, Burg Giebichenstein

Autorin: Julia Förster

Oliver Sacks kannte einen Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte. Sacks ist Neurologe und hat darüber ein Buch geschrieben. Seitdem weiß man: Merkwürdige Dinge können in unserem Hirn passieren.

Das wissen auch einige Physiker und Ingenieure der PTB, spätestens seitdem sie gelernt haben, wie man "Prosopagnosie" ausspricht und was es damit auf sich hat: Prosop-Agnosie heißt soviel wie "Gesichter nicht erkennen" (griech. prosopon = Gesicht und agnosia = das Nichterkennen). Menschen, die unter Prosopagnosie leiden, erkennen manchmal selbst gute Freunde nicht. So wie die Frau, deren Mann auf einem Volksfest schnell etwas kaufen wollte. Als er wieder auf sie zutrat und fragte, wo die Geisterbahn sei, antwortete sie irritiert: "Ihre Stimme klingt wie die meines Mannes." Ansonsten fehlt ihr nichts. Sie ist völlig normal "im Kopf" und ihre Augen funktionieren hundertprozentig. "Gesichtsblindheit", die deutsche Übersetzung der Krankheit, ist deshalb nicht ganz richtig...

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Der Lotus-Effekt im Badezimmer

Die heilige Lotusblume: Symbol der Reinheit in asiatischen Religionen. Sie wurde schon vor Jahrhunderten in Sanskrittexten erwähnt.
Foto: W. Barthlott
Die heilige Lotusblume: Symbol der Reinheit in asiatischen Religionen. Sie wurde schon vor Jahrhunderten in Sanskrittexten erwähnt.
Foto: W. Barthlott

Autorin: Nicole Geffert

In der Werbung sieht das immer proper aus: Erst Reiniger aufsprühen, dann mit Wasser abbrausen und - schwuppdiwupp - macht die trübe Kachel jedem Spiegel Konkurrenz. Seifenreste, Kalk und Flecken – wie von Zauberhand entfernt. Mein Bad widersetzt sich derartiger Magie. Erst die handfeste Zuwendung von Schwamm und Tuch sorgt hier für Glanzeffekte, die leider nur von kurzer Dauer sind.

Die Natur ist uns zivilisierten Sauberkeitsfanatikern dagegen weit voraus: Sie hat Oberflächen, die sich selbst reinigen, hervorgebracht und im Laufe der Evolution perfektioniert. Das Phänomen heißt Lotus-Effekt und wurde Mitte der 1970er Jahre am Botanischen Institut der Universität Bonn von Wilhelm Barthlott und seinem Team entdeckt und zwanzig Jahre später ausführlich beschrieben. Die Bezeichnung Lotus-Effekt geht auf eine Pflanze zurück, die in der hinduistischen Religion von jeher als Symbol der Reinheit gilt: die heilige Lotusblume. Ihre Blätter entfalten sich trocken und makellos sauber aus dem Schlamm der Gewässer. Im Gegensatz zu meinen Fliesen und Kacheln perlen Wassertropfen von den Blättern der Lotusblume einfach ab und entfernen dabei alle Schmutzpartikel. Wie schafft sie das so mühelos?..

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Manchmal esse ich mein Würstchen ohne Senf

Foto: Marc Steinmetz/Deutsches Hygiene-Museum
Foto: Marc Steinmetz/Deutsches Hygiene-Museum

Autorin: Birgit Ehlbeck

Oder Pommes. Dann sage ich: "Einmal Pommes ohne alles". Dann gibt's Pommes ohne Mayo und ohne Ketchup. Vielleicht ginge es auch noch ohne Salz. Das müsste man extra sagen: "Pommes - ohne alles, und bitte ohne Salz." Dann gibt's die reinen Pommes, die Pommes an sich sozusagen. (Der Kommentar vom Pommesverkäufer geht allerdings extra ...)

Wieviel Gramm mehr wiege ich nach der Portion Pommes ohne alles? Direkt nach dem Essen, zehn Minuten nach dem Essen, dreißig Minuten nach dem Essen, vier Stunden nach dem Essen, acht Stunden nach dem Essen (inzwischen schwer feststellbar, aß eine Erbsensuppe, vor dreißig Minuten). Was die Sache verkompliziert, ist der Gewichtsverlust durch Bewegung - bin nach Hause gegangen, cirka zwanzig Minuten - und Aufregung - habe mit xy telefoniert, musste mich verteidigen und notlügen - dann etwas nachgedacht ...

Kummer! Wieviel Gewicht kostet Kummer? Oder auch Spaß. Eine Achterbahnfahrt bringt sicher ein paar Gramm weniger ...

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Eine Metropole im Briefmarkenformat

Ist das Silizium erst einmal in tellergroße Scheiben zersägt, ist es reif für die Reinraumzentren in den Chipfabriken, wie hier bei Infineon, Dresden. Hunderte von Fertigungsschritten sind jetzt nötig, um alle gewünschten Mikrostrukturen auf das Material zu „schreiben“ – für Speicherchips als Endprodukt.
Foto: Infineon
Ist das Silizium erst einmal in tellergroße Scheiben zersägt, ist es reif für die Reinraumzentren in den Chipfabriken, wie hier bei Infineon, Dresden. Hunderte von Fertigungsschritten sind jetzt nötig, um alle gewünschten Mikrostrukturen auf das Material zu „schreiben“ – für Speicherchips als Endprodukt.
Foto: Infineon

Autor: Rainer Scharf

Erster Tatort: eine Kiesgrube in Norwegen. Aus Quarzbrocken und Kieseln produziert die norwegische Firma Elkem jährlich etwa 200 000 Tonnen Silizium, rund 18 % der Weltjahresproduktion. Den größten Teil davon brauchen die Aluminium- und die Chemieindustrie, 4 bis 5 Prozent sind für die Elektronikindustrie bestimmt. Silizium ist nach dem Sauerstoff das zweithäufigste Element der Erdkruste. Es kommt nicht in reiner Form, sondern nur in Verbindungen wie zum Beispiel Siliziumdioxid - schlichter Quarz - vor.

In speziellen Öfen werden die Quarzbrocken und Kiesel mit kohlenstoffhaltigem Material wie Kohle, Koks oder Holz gemischt und den gleißend hellen elektrischen Lichtbögen von 1,20 Meter dicken Kohleelektroden ausgesetzt. Dafür sind enorme Mengen an elektrischer Energie nötig - etwa 11 000 Kilowattstunden pro Tonne Silizium -, die von norwegischen Wasserkraftwerken geliefert werden. Wo die Lichtbögen in das Quarz-Kohle-Gemisch einschlagen, bricht eine bis zu 2400 Grad heiße Hölle los. Dabei trennt sich das Silizium vom Sauerstoff, der anschließend den Kohlenstoff bindet. Übrig bleibt flüssiges Silizium, das man reinigt und erkalten lässt. Am Ende hat das Silizium einen Reinheitsgrad von 97 bis 99 Prozent...

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Eine Reise in die Welt des Staubs

Foto: Photo Insolite Realite/Science Photo Library
Foto: Photo Insolite Realite/Science Photo Library

Autorin: Erika Schow

0:00 min: Eine Flasche wird entkorkt. Eingießen.

0:06 min: (Stimme 1, ziemlich lallend) So, noch 'ne Flasche. Irgendwann muss sie doch kommen, die verdammte Inspiration. Der Chef hat gut reden: "Mach ein Feature draus". Eine bunte Geschichte über Staub, oh Mann. Wenn es wenigstens fürs Fernsehen wäre, da könnte man schön ranzoomen und jede Menge Mikroskopbilder bringen. Aber Radio! 10 Minuten lang. Klar bringt das Geld - aber wo soll ich bloß die O-Töne herholen? Aktuelle Aspekte reichen dem Herrn ja auch nicht. Das sagt sich so leicht: "Mach es schön historisch - das Allerkleinste, Unsichtbare, das hat doch schon die Römer fasziniert. Und bring die Ambivalenz rein, wie die Menschen einerseits fasziniert waren, aber andererseits furchtbare Angst hatten vor den Dingen, die sie nicht sehen konnten." Ja, ja, mit mir kann er's ja machen, der Herr. Prost Mahlzeit...

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Blicke in die Mikro-Welt oder: Das Licht austricksen

Robert Hooke nannte die kleinen Gebilde, die er in einem Stück Kork fand, „Zellen“ – und gab damit einer grundlegenden Einheit des Lebens den Namen.
Foto: Jeremy Burgess, Science Photo Library
Robert Hooke nannte die kleinen Gebilde, die er in einem Stück Kork fand, „Zellen“ – und gab damit einer grundlegenden Einheit des Lebens den Namen.
Foto: Jeremy Burgess, Science Photo Library

Autorin: Dörte Sasse

Das Monster war schon tot, als die Marquise es zu Gesicht bekam: ein ausgesprochen hässliches Viech im Schuppenpanzer, mit hinterlistigen Äuglein und absurd langen, garstig behaarten Beinen. Über den Floh ließ es sich prächtig amüsieren, jetzt, da er nicht mehr in den Gewändern zwickte - die Marquise genoss eine der beliebten "Insectenbelustigungen" und "Augenergötzungen" im Fürstensalon. Und durchs "Microscopium" boten sich auch erfreulichere Anblicke, etwa wunderschöne Bilder aus künstlerisch arrangierten Kieselalgen.

Das Mikroskop, um 1600 von Holländern und Italienern fast zeitgleich entwickelt, diente fast zweihundert Jahre lang mehr als Spielzeug denn als ernsthaftes Werkzeug für die Wissenschaft. Und auch dort erwartete noch kaum jemand winzige Dinge, die das Auge nicht wenigstens erahnen ließ. So blieb die Mikrowelt lange das Privatinteresse weniger Neugieriger und die wahre Bedeutung der "vielen kleinen Thierchen", auch für Leben und Gesundheit, erschloss sich der Menschheit erst Jahrhunderte später...

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Die Duft-Detektive

Foto: Alex Bartel, Science Photo Library
Foto: Alex Bartel, Science Photo Library

Autorin: Andrea Hoferichter

Ursprünglich sollten Gassensoren explosive Gemische aus Erdgas und Luftsauerstoff aufspüren und damit Schlimmes verhindern. Inzwischen erkennen ausgeklügelte Sensor-Arrangements zuverlässig diverse Lösungsmittel, ranziges Öl und sogar Substanzen, die wir gar nicht riechen können. Doch wenn es um komplexe Düfte wie die von Kaffee oder Parfüm geht, ist unsere Nase unbestritten die Nummer Eins.

Im Besprechungsraum duftet es ganz eindeutig nach Kaffee. Dort erklärt Udo Weimar, der die Arbeitsgruppe für Sensorenforschung der Eberhard Karls Universität Tübingen leitet, warum das schwarze Gebräu aus beruflicher Sicht für ihn erledigt ist. Weimar entwickelt kleine Knöpfe und Plättchen mit sensorischen Fähigkeiten, die die verschiedensten flüchtigen Stoffe detektieren können. Doch "Kaffee ist ein echter 'bad case'", sagt Weimar. Dem komplexen Kaffeearoma sei mit den kleinen Detektoren einfach nicht beizukommen. Das gleiche gelte für das einzigartige Aroma von Parmaschinken oder den klassischen Neuwagen-Geruch. So können weder Kaffeeröstereien noch Fleischindustrie oder Autohersteller auf geschulte Sensoriker verzichten, die sich durch viele Sorten Kaffee schlürfen, Schinkenscheiben verkosten und sich von der Rücksitzbank bis zum Armaturenbrett durchschnüffeln müssen...

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Atome in der Rasterfahndung

Foto: PTB
Foto: PTB

Autorin: Almut Bruschke-Reimer

Mit Atomen kann man nicht Lego spielen? Man kann - wenn man ein Rastertunnelmikroskop zu Hilfe nimmt, wie es als einer der Ersten Donald M. Eigler 1990 tat. Im kalifonischen Almaden Research Center nutzte der Physiker dieses damals gerade frisch erfundene Mikroskop als Nanopinzette. Stück für Stück baute er damit 35 einzelne Xenon-Atome auf einem Nickelkristall zum Logo seines Arbeitgebers IBM zusammen. Das Rezept zum Nachmachen, das den Werbetextern von IBM ungeheuren Spaß gemacht haben muss: "Sprühen Sie ein paar Xenon-Atome auf ein Nickel-Einkristall, das Sie mit flüssigem Helium auf -269 °C abgekühlt haben. Nachdem sie sich beruhigt haben, ziehen Sie Atom für Atom mit der Spitze eines Rastertunnelmikroskops vorsichtig an die gewünschte Stelle. Halten Sie zwischen den Atomen bitte den genauen Abstand von 13 Ångström (0,0000013 mm) ein. Viel Erfolg."

Viel Erfolg hatte dieses "Rezept" tatsächlich, inspirierte es doch zahlreiche Forschergruppen, selbst Hand an die Atome zu legen – und dies nicht nur zum atomaren Nachbau hauseigener Logos...

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Die-High-Tech-Kohle

Foto: Phaedon Avouris, IBM
Foto: Phaedon Avouris, IBM

Autor: Jan Oliver Löfken

Pechschwarze, federleichte Flocken - so sehen die großen Hoffnungsträger der Nanotechnologie aus: Nanoröhrchen aus Kohlenstoff. Ein einziges Gramm von ihnen füllt ein ganzes Weinglas. Was dieses Häufchen Ruß zu bieten hat, erkennt man unter dem Mikroskop, bei einem Vergrößerungsfaktor von rund 100 Millionen: Die Milliarden von Röhrchen haben eine sehr elegante Struktur, sind Atom für Atom angeordnet in regelmäßigen, wabenförmigen Gerüsten.

Es begann 1991, als das Fußballmolekül C60 - auch Fulleren genannt - gerade groß in Mode war. Zwar wusste man noch gar nicht, was man damit tun konnte, aber immerhin hatte man damit eine dritte Form der Kohlenstoffs entdeckt (neben Diamant und Graphit), die sich in eindrucksvoller Schönheit präsentierte. In diese Stimmung platzte die Entwicklung der Nanoröhrchen im Labor von Sumio Iijima bei der japanischen Firma NEC in der Nähe von Tokio. Und seitdem geht es rund: Forscher überall auf der Welt präsentieren einen "Durchbruch" nach dem anderen. Transistor, Wirkstoff-Sensor, Tumorkiller, High-Tech-Faser - das Nanoröhrchen kann alles. Darauf vertrauen zumindest Forscher und Investoren. So jagt derzeit eine Nano-Konferenz die andere und die Geldgeber aus Industrie und Politik stecken Milliardenbeträge in die Entwicklung...

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Magnetbits, Holowürfel, Tausendfüßler

Bilder: IBM Research
Bilder: IBM Research

Autor: Frank Grotelüschen

"Wenn ich die Probe fallen lasse, kostet mich das zwei Wochen. Dann muss ich die Vakuumkammer wieder aufmachen." Hoch konzentriert hantiert Matthias Bode mit dem Manipulator, einem mechanischen Greifarm. Mit ihm jongliert der Physiker winzige Materialproben durch eine Versuchsapparatur, die aussieht wie das Modell einer Raumstation: fünf Vakuumkammern aus Edelstahl, miteinander verbunden durch lauter Röhren und Flansche. Kleine Bullaugen erlauben den Blick ins Innere.

Nun steht Bode vor dem größten Segment, einer zwei Meter hohen Säule, mit Flüssighelium auf minus 260 Grad Celsius gekühlt. Hier steckt das Herz des Experiments: das Rastertunnelmikroskop, ein Keramikzylinder, kaum größer als ein Filmdöschen. "Im Prinzip ist es eine extrem dünne Nadel, die wenige millionstel Millimeter über der Materialprobe schwebt", erläutert Bode. "Zwischen Nadel und Probe fließt ein Strom, der Tunnelstrom." Er ist so eingestellt, dass die Nadel immer im selben Abstand über der Probe schwebt. Dann startet Bode den Rechner, und die Nadel fährt Zeile für Zeile über die Probe hinweg, folgt dabei den winzigsten Unebenheiten. Nach und nach entsteht auf einem Monitor ein Bild. Es zeigt feinste Details der Probe, mit Glück sogar einzelne Atome...

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Die Welt im Femtosekunden-Takt

Bild: PTB
Bild: PTB

Autor: Frank Frick

In einer Sekunde reist ein Laserstrahl fast bis zum Mond. Wird er dagegen nach 50 Femtosekunden ausgeknipst, hat er eine Strecke zurückgelegt, die kaum den Durchmesser eines menschlichen Haares erreicht. Ein solcher Femtosekunden-Blitz ist in der Lage, chemische und physikalische Vorgänge zu erhellen, die sonst wohl immer vor uns verborgen wären.

Ahmed Zewail, Chemie-Nobelpreisträger des Jahres 1999, erklärt manchmal mit einer Anekdote, in welcher Tradition seine Arbeit steht: Der amerikanische Eisenbahnmagnat und Gouverneur Leland Stanford beauftragte in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts den Fotografen Eadweard Muybridge damit, zu beweisen, dass Pferde während des Galopps einen Moment lang alle vier Hufe vom Boden abheben. Nachdem Muybridge Kameraverschlüsse entwickelt hatte, die sich nur für etwa eine tausendstel Sekunde öffneten, nahm er Bildserien auf. Sie zeigten, dass Pferde während einer kurzen Phase tatsächlich fliegen...

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Wie die "Schwere" in die Welt kam

Blick in den LEP-Tunnel
Foto: CERN
Blick in den LEP-Tunnel
Foto: CERN

Autor: Axel Tillemans

Nachdem Gott das Universum und die physikalischen Elementarteilchen erschaffen hatte, fiel ihm auf, dass alle Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit durch das Weltall rasten. Er hatte nämlich vergessen, sie schwer zu machen. Und als brave Teilchen gehorchten sie der Relativitätstheorie, die masselosen Teilchen verbietet, sich langsamer als das Licht zu bewegen. Also übergab Gott seinem Lieblingsteilchen Masse und beauftragte es damit, sie gerecht unter den Teilchen zu verteilen. Den eigenwilligen Gerechtigkeitssinn dieses Higgs-Teilchens können die Physiker bis heute nicht nachvollziehen.

Denn beispielsweise bekamen die Photonen - das sind die Teilchen, aus denen das Licht besteht und die die elektromagnetische Kraft übertragen – überhaupt keine Masse ab. Dagegen sind die exotischen Top-Quarks mehr als 300 000-mal so schwer wie Elektronen, die selbst etwa ein Zweitausendstel der Masse eines Wasserstoffatoms besitzen. Und Neutrinos, die unter anderem beim radioaktiven Zerfall eine Rolle spielen, sind mindestens 150 000-mal leichter als Elektronen. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das Higgs-Teilchen das Motto "An sich selbst denkt das kluge Teilchen zuerst" sehr ernst nahm und für sich selbst mindestens die zweitgrößte Masse behielt...

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Die Elektronen-Dompteure

Mit Tigern nehmen sie es in der PTB zwar nicht auf. Und auch brennende Reifen und Raubtierkäfige sind eher selten anzutreffen. Aber denkt man sich die Tiger ganz klein, elektronenklein, dann ist man in der PTB durchaus richtig im Bilde: Einzelne Elektronen werden durch Barrieren geschleust und auf einer Insel gesammelt (so beim Einzelelektronentunneln) oder in mikroskopische Taschen gesteckt, die mit Schallgeschwindigkeit durch Halbleiter laufen (so beim Einzelelektronentransport auf elektroakustischen Oberflächenwellen).
Mit Tigern nehmen sie es in der PTB zwar nicht auf. Und auch brennende Reifen und Raubtierkäfige sind eher selten anzutreffen. Aber denkt man sich die Tiger ganz klein, elektronenklein, dann ist man in der PTB durchaus richtig im Bilde: Einzelne Elektronen werden durch Barrieren geschleust und auf einer Insel gesammelt (so beim Einzelelektronentunneln) oder in mikroskopische Taschen gesteckt, die mit Schallgeschwindigkeit durch Halbleiter laufen (so beim Einzelelektronentransport auf elektroakustischen Oberflächenwellen).

Autorin: Brigitte Röthlein

Wie misst man elektrischen Strom? Normalerweise durch die Kraft, die er auf andere Stromleiter ausübt. So ist auch die Grundeinheit der Stromstärke auf diese Weise festgelegt, das Ampere. Die Definition stammt noch aus den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts, und sie funktioniert seither, aber elegant ist sie nicht. "Eine Rückführung der wichtigen Maßeinheiten Ampere und Kilogramm auf Naturkonstanten ist bisher nicht gelungen, obwohl dadurch eine enorme Steigerung der Präzision und Stabilität von Messungen möglich würde", erklärt Franz Josef Ahlers, Leiter der Arbeitsgruppe "Niedrigdimensionale Elektronensysteme" in der PTB.

Ideal wäre es, wenn man die Stromstärke direkt durch die Ursache des Stroms definieren könnte, also durch die Elektronen. Bedeutet doch das Fließen eines Stroms nichts anderes, als dass eine hohe Anzahl der winzigen, negativ geladenen Teilchen sich durch ein Material bewegen, und zwar im Großen und Ganzen in eine Richtung. Da läge es eigentlich nahe, zur Definition von 1 Ampere einfach die Zahl der Elektronen abzuzählen, die nötig ist, um diesen Wert zu erreichen...

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Das Letzte

Das Letzte

Foto: Christoph Papsch, vario-press
Foto: Christoph Papsch, vario-press

Autorin: Erika Schow

Rätselhafte Wesen sind sie, die Katzen: wie sie da auf ihren Samtpfoten daherschleichen, unversehens aus dem Nichts auftauchen und schnurrend die Beine umstreichen, plötzlich und unerwartet mit scharfen Krallen zuschlagend. Versuche nur einer, sie zu zähmen oder gar sie dazu zu bewegen, nicht gerade das frischeste Bett als Schlaf- und das neueste Sofa als Krallenwetzplatz auszuwählen – er wird kläglich scheitern. Allein zu verstehen, welch hinterhältiger Plan jetzt in diesem Moment hinter den beiden schmalgeschlitzten Pupillen heranreift, hat wohl noch kein Mensch je vermocht. Vermutlich wieder einmal in solchen Gedanken versunken, während seine silbergraue Schönheit durch das Labor streifte, blieb Erwin Schrödinger gar keine andere Wahl, als genau diese sphinxhafte, unergründliche Kreatur als Modell zuwählen. Als Modell in einem Gedankenexperiment, das bis heute zu den rätselhaftesten Dingen gehört, die die Wissenschaft zu bieten hat. Tot oder nicht tot – das ist hier die Frage. Rein mathematisch betrachtet, ist Schrödingers Katze gar beides zugleich – zumindest bevor man nachsieht, somit eine Messung vollzieht und das System auf einen der beiden Zustände gewissermaßen fixiert. Es steht also fest: Schrödinger besaß eine Katze. Weiterhin steht fest: Es gibt viele Katzen auf der Welt: graue, schwarze, getigerte, grün- oder blauäugige, Whiskas- und Lasagneliebende – und es gibt wirkliche, waschechte Schrödinger-Katzen. Die sind allerdings ziemlich klein, genauer gesagt Molekül-klein. Zu finden sind sie nicht in den Laboren von Physikern, jedenfalls nicht nur dort. Nein: in Arztpraxen. Und in Apotheken. Lassen Sie sich doch mal einen Termin bei Ihrem Homöopathen geben. (Ist doch ohnehin überfällig, jetzt im Winter, wo all die Zipperlein wieder auftauchen, die der milde Sommerwind sachte weggeweht hatte). Und fragen Sie ihn nach diesen rätselhaftesten aller Medikamente: jenen homöopathischen Tropfen, die so oft verdünnt worden sind, dass irgendwann vor den Herstellern, jenen Alchemisten der Neuzeit, ein Becherglas mit Wasser steht, das nur ein einziges Molekül der Wirksubstanz enthält. Und nach dem nächsten Verdünnungsschritt? Rechts Wasser mit Wirkstoff-Molekül, links ohne? Also rechts ein wirksames Medikament, links keines? Oh nein, wird ihr Homöopath sagen, beide wirken gleich gut. Wasser hat so etwas wie ein Gedächtnis, könnte er erklären, und beide Teilmengen enthalten noch die Information aus dem Wirkstoff. Dann kommt die Stunde ihres Lebens: Aha, eine Schrödinger-Katze, werden Sie ausrufen. Das Wirkstoff-Molekül ist ein quantenmechanisches Objekt; es befindet sich mit gleich großer Wahrscheinlichkeit in jedem der beiden Bechergläser. Oder in beiden gleichzeitig – auch wenn ein Mensch so etwas nicht denken, sondern nur rechnen kann. Und dann nehmen Sie beide Hälften triumphierend mit nach Hause und probieren aus, ob sie wirken – am besten an Ihrer Katze.