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maßstäbe Heft 10: Menschen im Labor

Impressum

Herausgeber:
Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig und Berlin
Redaktion:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, PTB
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Telefon: (0531) 592-3006
Fax: (0531) 592-3008
E-Mail: presse@ptb.de, massstaebe@ptb.de
Redakteure: Imke Frischmuth (if), Erika Schow (es), Jens Simon (jes, verantwortlich)
Grafik und Layout: Alberto Parra del Riego (alb)
Autoren: Birgit Ehlbeck, Frank Frick, Nicole Geffert, Anne Hardy, Andrea Hoferichter, Ute Kehse, Ronald Knauer, Jan Oliver Löfken, Brigitte Röthlein, Dörte Saße
Redaktionsassistenz: Cornelia Land
Druck:
DruckVerlag Kettler, Bönen/Westf.
© PTB. Alle Rechte vorbehalten.

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Braunschweig, Dezember 2009

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Vorwort

Die maßstäbe-Redaktion wächst. Von links nach rechts: Jens Simon, Alberto Parra del Riego, Imke Frischmuth und Erika Schow
Foto: original-okerland
Die maßstäbe-Redaktion wächst. Von links nach rechts: Jens Simon, Alberto Parra del Riego, Imke Frischmuth und Erika Schow
Foto: original-okerland

Liebe Leserin, lieber Leser,

gehören Sie auch zu denjenigen, die sich auf einer neu erworbenen Spielfilm-DVD gerne das Bonusmaterial anschauen? Da finden sich ja oft die schönsten Einblicke in das Making-of des Films. Sie sehen dann nicht nur die Schauspieler in voller Kostümierung und perfektem Make-up, sondern Sie sehen sie auch neben der Kamera und vor jeder Maske. Sie sehen die Lichttechniker und den Regisseur, den Tonmeister, die Assistenten, die Komparsen, zahllose Helfer und gute Geister. Sie sehen all die Menschen, die zwar schlussendlich nicht im Film auftauchen, die aber alle ihren notwendigen Job machen, damit der Film überhaupt ein Film wird. Mit diesen maßstäben wollen wir etwas ganz Ähnliches tun: Wir möchten Ihnen ein Forschungszentrum von innen zeigen. In das helle Bewusstsein der Öffentlichkeit dringt die Forschung meistens nur in Gestalt ganz weniger Wissenschaftler, dann nämlich, wenn eine wissenschaftliche Erkenntnis, die mit dem Namen des Wissenschaftlers verbunden wird, gesellschaftliche Relevanz erreicht hat oder wenn eben diesem Wissenschaftler der Nobelpreis zuerkannt wird. Der wissenschaftliche Alltag, das ganze Drumherum, bleibt im Dunkeln. In dieses Dunkel möchten wir etwas Licht werfen und wir möchten Ihnen ein paar Fragen (die Sie sich vielleicht nie gestellt haben – oder etwa doch?) beantworten. Wie sieht es in einem Forschungsinstitut, das eine gewisse Größe und Komplexität hat, aus? Was für Menschen arbeiten dort? Und wie denken diese Menschen über ihr Tun? Kurzum: Wir wollen Ihnen „Menschen im Labor“ zeigen, also Menschen, die in den Wissenschaftsbetrieb auf die eine oder andere Weise eingebunden sind und die alle ihren Teil zum Gelingen von Forschung beitragen. Da die maßstäbe selbst das Gewächs aus einem solchen Forschungsinstitut sind, liegt es nahe, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt als Muster zu nehmen. In der Unschärfe, die den maßstäben absichtsvoll eigen ist, können Sie sich jedoch die meisten der hier vorgestellten Menschen auch in anderen Forschungsinstituten beheimatet denken. Als zarten roten Faden haben wir fünf Handlungsmaximen über das Heft gelegt. Fünf Verben, die nur im Konzert miteinander für funktionierende Wissenschaft sorgen können: lernen – fragen – antworten – lenken – ordnen. Vielleicht lenken wir Sie mit diesen maßstäben auf ein paar Fragen, die in der richtigen Ordnung zu Antworten führen, aus denen sich etwas lernen lässt.

Darauf hofft und grüßt Sie fraglos im Namen der Redaktion
Ihr Jens Simon

Lernen

Foto: Jacobs University
Foto: Jacobs University

Autor: Jens Simon

Das Urteil lautet für gewöhnlich: „lebensläng-lich“. Denn mit dem Schicksal eines lebenslangen Lernens müssen sich alle arrangieren, die in unserer Wissensgesellschaft einen Platz ergattern oder die einen irgendwann in dieser Gesellschaft eroberten Platz schlicht behalten wollen. Wenn sich die Welt verändert, müssen die Menschen folgen, um sich in eben dieser Welt zurecht zu finden. Allerdings reduzieren diejenigen, die von solchen Veränderungen sprechen, den Begriff zumeist auf technische Veränderungen, spitzen das Lernen auf das Lernen technischer Zusammenhänge zu und können mit einem derart angespitzten Begriff nur sehr wenig aufspießen. Spricht dagegen ein Wissenschaftler, sagen wir ein Naturwissenschaftler, sagen wir ein Physiker, vom lebenslangen Lernen, dann meint er noch etwas anderes. Er meint die Größe der Natur, von der er nur einen Bruchteil versteht, was jedoch zugleich seinen Ehrgeiz anstachelt, diesen Bruchteil durch harte Arbeit ein kleines Stück zu vergrößern. Der Wissenschaftler darf sich dabei nur nicht von einem Effekt irritieren lassen, der vielleicht ganz speziell der Physik eigen ist, dem Effekt, dass einmal Gelerntes, Gewusstes, Verstandenes auf einmal auch wieder ganz zweifelhaft, ganz unverstanden erscheinen kann. Wer einen Physiker fragt „Hast Du es verstanden?“, muss mit der Antwort rechnen „Heute schon. Morgen? Mal sehen!“.

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Voll die Forschung! Cool!

Autorin: Dörte Saße

Eine Initiative von PTB-Forschern will die Naturwissenschaftslücke zwischen Kindergarten und Mittelstufe schließen.

Was ist eigentlich ein Experiment? „Das ist, das ist...“, erzählt Lukas aufgeregt, nachdem sein Finger als erster in die Luft ging, „…das ist bei meinem Aquarium, also man hat ein’ Eimer hoch und ein’ unten, und dann hat man so ’n Schlauch, da muss man ansaugen, und dann geht das Wasser ganz von alleine über die Wand…“ Schon mal nicht falsch. Irgendwie. Oder?

26 Zweitklässler sind angerückt zum Experimentieren. „WissensForscher“ steht auf ihren neuen dunkelblauen Schirmmützen, die jetzt verstreut auf den Tischen liegen, neben dem Schreibzeug und dem Papier für die Tabellen. Tabellen, wie sie der gemeine Forscher beim Forschen ebenso erstellt. Vorn im Raum hängt eine Tafel an der Wand, davor steht Annette Röttger, PTB-Physikerin und für heute „Experimentalpädagogin“.

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Ohne Mathe läuft hier nix

Autorin: Nicole Geffert

Der frühe Vogel kann mich mal. Der Spruch klebt als Postkarte an meiner Schlafzimmertür. Für Journalisten wie mich ist ein Termin vor 10 Uhr morgens die Höchststrafe. „Wir fangen um 7 Uhr an und starten gleich mit dem Versuchsaufbau“, verkündet Silke Remusch gut gelaunt am Telefon. Sie ist für die Ausbildung der Physiklaboranten in der PTB in Braunschweig zuständig. Dort werde ich für einen Tag als Praktikantin Eindrücke sammeln, was angehende Physiklaboranten so tun. Silke Remusch hat eine sympathische Stimme und lacht gern. Mir ist nicht zum Lachen zumute: „7 Uhr“ und „Versuchsaufbau“ klingen in meinen Ohren bedrohlich

Ich bin spät dran, als ich mich einige Tage später auf den Weg zur PTB mache. In Gedanken bin ich bei meinem Physiklehrer, der mir in Klasse 10 riet, Physik in der Oberstufe abzuwählen, damit ich „den Unterricht nicht mit Fragen störe, die in der 7. Klasse bereits geklärt worden sind“. In einer meiner Physikarbeiten notierte er unter einer Kurve, die ich nach bestem Wissen und Gewissen gezeichnet hatte: „Diese Kurve sieht aus, als wäre ein Huhn darüber gelaufen. Ein Huhn mit nassen Füßen.“.

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Von meiner Suche nach Erkenntnis (in der PTB)

Autorin: Birgit Ehlbeck

Anne,
ich weiß, es sagt dir nichts.... aber ich muss es kurz loswerden: Ich hab’ die Auflösungsgrenze verschoben. Um 0,1! Bald kann ich meine Nanopartikel genau ausmessen! Hörst Du meine Begeisterung? Was machen wir am Samstag? Shoppen, Carcassonne oder doch lieber Wandern? Vielleicht im Harz? Freue mich so, dass du kommen kannst... (Nein, ich werde keine Arbeit mit nach Hause nehmen. Damit ist wirklich Schluss. Versprochen! Wenn du da bist, haben die Partikel erstmal Pause!) ... Musste wieder zu meinem Bericht wechseln, du weißt ja: Hier gibt es viel Dringendes, von dem nicht alles wichtig ist. Doch etwas muss ich heute noch machen. Paar Anträge schreiben für meinen neuen Versuchsaufbau. Hoffentlich ist das, was ich heute bestelle, auch das, was ich im November dann brauche.
Wir sehen uns Freitagabend!
Tobias

Liebe Anne,
wann kommst du? Wenn du willst, kann ich dich vom Bahnhof abholen. Sims mal! Ich denke, ich kann heute etwas eher Schluss machen – bei meiner 85%-Stelle! Bei meinen Überstunden! Und außerdem: Für dich gehe ich nicht nur überall hin, sondern auch eher ;-)
Dein Tobias

Liebe Anne,
heute wieder Anzug-Tag! Kannst du dir das vorstellen, ich in Schlips und Kragen? Immerhin erinnert’s mich an Kolumbien. Da war es ja kein Thema, sich von jetzt auf gleich einen Anzug schneidern zu lassen (... und das sogar ohne deine Beratung!...). Beim nächsten Mal Südamerika kommst du aber mit! (Vielleicht brauche ich ja wieder einen Anzug. Und mit den Schlangen habe ich wirklich maßlos übertrieben, das musst du mir glauben!)
Oh, der Anzug-Tag geht los...

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Die Wechsel

Peter Ulbig 1986
Foto: original-okerland
Peter Ulbig 1986
Foto: original-okerland

Autorin: Ute Kehse

Der Weg zurück in die Welt der Wissenschaft dauert vielleicht zehn Minuten. Es ist nur ein kurzer Fußmarsch über das PTB-Gelände, dann ist Peter Ulbig im Planck-Bau, einem Gebäudekomplex, in dem er acht Jahre lang täglich gearbeitet hat. „Es ist ein Gefühl, als käme man in sein Elternhaus zurück – einfach schön“, sagt der habilitierte Chemieingenieur. Von den alten Kollegen wird Ulbig herzlich begrüßt. „Sie sind ja eigentlich nicht mehr zuständig…“, beginnt einer, aber dann gibt es doch noch kurz etwas zu besprechen. Auch Regina Klüß freut sich, dass ihr ehemaliger Chef in ihr Labor zu Besuch kommt. Der Arbeitsplatz der Chemieingenieurin besteht aus Messgeräten, Schläuchen, blinkenden Dioden und Bechergläsern. Hier hat Peter Ulbig früher oft mit seinen Mitarbeitern und Doktoranden diskutiert. Auf einen komplizierten Versuchsaufbau im hinteren Bereich des Labors ist er immer noch stolz. Eine Doktorandin misst mit dieser Apparatur einen Koeffizienten, der angibt, wieviel Alkohol aus einer wässrigen Lösung in Atemluft übergeht. Diese Größe ist bislang nur ungenau bekannt, das erschwert präzise Angaben der Alkoholkonzentration in der Atemluft. Drei Jahre, erzählt Ulbig, habe der Aufbau der Apparatur gedauert. Er berichtet, wie schwierig die Suche nach geeigneten Waagen war und wie lange getüftelt werden musste, um alles zum Laufen zu bringen. Regina Klüß erinnert sich, wie die Doktorandin wochenlang vergeblich nach einem Fehler in der Apparatur suchte, bis sie ihn schließlich an völlig unerwarteter Stelle fand...

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Fragen

3D-Grafik: Alberto Parra del Riego / PTB
3D-Grafik: Alberto Parra del Riego / PTB

Autor: Jens Simon

Fragen sind außerordentlich populär. Zumindest dann, wenn sie gleich mit einem Quartett von Antwortmöglichkeiten daherkommen, von denen garantiert nur eine richtig ist. Wie leicht erliege ich doch der Illusion, ich wüsste etwas, wenn nur meine ausgewählte Antwort richtig ist. Aber das Leben ist ziemlich illusionslos und sicherlich kein Wissensquiz. Für die Wissenschaft, als Teil des Lebens, gilt dies erst recht. Es gibt weder eine abgeschlossene Menge von Antworten, noch gibt es überhaupt klar umrissene Fragen. Der Wissenschaftler muss nicht nur eine Antwort geben, er muss zunächst überhaupt die Frage finden, die er sich stellen will. Stellt er sich eine kleine Frage, kann er zumeist nicht mehr als eine kleine Antwort erwarten. Nur große Fragen haben das Potential für große Antworten. Aber je größer die Frage, umso größer das Risiko, wissenschaftlich zu scheitern. Und um die Sache noch ein wenig vertrackter zu machen: Ob eine Frage ein Riese oder ein Zwerg ist, ist auf den ersten Blick oft gar nicht zu erkennen. Manche Zwerge scheinen riesenhaft, weil sie mit ihrem eigenen Schatten in der Abendsonne verwechselt werden. Zur Mittags-stunde kehren sich die Verhältnisse allerdings um. Der zwergenhafte Schatten kann eventuell einem Riesen gehören.

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Auf welchem Acker kannst du einen Beitrag leisten?

Prof. Dr. Joachim Treusch, Präsident der international university bremen (iub), September 2006
Prof. Dr. Joachim Treusch, Präsident der international university bremen (iub), September 2006

Autor: Jens Simon

Am Ende wird Joachim Treusch den Besucher über den Campus seiner Gelehrtenrepublik führen. Ein Hauch von Harvard, Stanford oder einer anderen amerikanischen Elite-Universität weht über das Grün. Der erste Eindruck: schmuck restaurierter Backstein, dazu modernste Architektur, weite Rasenflächen, alte Schatten spendende Bäume, ein paar Menschengrüppchen wie zufällig auf dem Rasen fallen gelassen – mit einem Wort: schön! So sieht also ein studentisches Paradies aus. Dabei befinden wir uns im Harvard-unverdächtigen Bremer Norden, im Stadtteil Schönebeck, auf dem Gelände einer ehemaligen Bundeswehrkaserne. An diese Zeit erinnern allerdings nur noch die Fassaden und Eingangstore einiger Zweckbauten und Hallen, hinter deren Mauern sich freilich längst keine Panzer mehr verbergen, sondern High-tech-Laboratorien von Physikern, Chemikern und Molekularbiologen oder Seminarräume von Soziologen, Historikern und Kommunikationswissenschaftlern. Wir befinden uns auf dem Campus der Jacobs University Bremen, die ihren Namen zurecht trägt, im doppelten Sinne. Da wäre erstens das Englische. Die englische Namensgebung ist hier kein Marketinggeplapper, sondern Abbild der Wirklichkeit: Von den 1200 Studenten stammen nur 300 aus Deutschland, die übrigen aus über 90 Nationen. Die Campussprache kann nur Englisch sein, in allen Variationen, die zur Kommunikation taugen. Vielfalt braucht eine verbindende Klammer. Wozu auch die Kapelle auf dem Campus passt – auch hier: ganz amerikanisches Vorbild. Eingedenk der Internationalität der Studenten ist die Kapelle natürlich konfessionslos. Wer hier heiraten will (kommt vor!), bringt sein „rituelles Werkzeug“, so Treusch, selbst mit. Und dann wäre da zweitens der Name Jacobs. Vollständig: Klaus Johann Jacobs, der mit Kaffee, Schokolade und mehr zum Milliardär wurde. Womit wir beim Beginn der Geschichte sind und damit auch bei Joachim Treusch, dem Präsidenten dieser sehr speziellen Privatuniversität...

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Die ewige Suche nach der noch besseren Lösung

Autorin: Brigitte Röthlein

Wenn man das Labor von Piet O. Schmidt im fünften Stock des Laue-Baus in der PTB betritt, hat man nicht den Eindruck, dass dort die genaueste Uhr der Welt entsteht. Eher ähnelt der Raum einem Optik-Labor, und in der Tat geht es hier um Licht. Ein einziges Aluminium-Ion in einer Falle soll künftig dafür sorgen, dass die Zeit noch hundertmal genauer gemessen wird als heute. „Das könnte ein neuer Weltrekord werden“, glaubt der Forscher.

Dabei ist schon das, was man momentan kann, unvorstellbar genau. Uhren in der PTB können die Zeit so exakt messen, dass sie in 30 Millionen Jahren nur um eine Sekunde falsch gehen. Seit vielen Jahren ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt mit an der Weltspitze, wenn es darum geht, wer die exaktesten und besten Uhren hat. Dort gab es ab 1969 die Cäsium-Atomuhren, die immer weiter verbessert wurden, 30 Jahre später die Cäsium-Fontänenuhr, die nochmals einen Fortschritt brachte. Vor einigen Jahren begannen PTB-Forscher dann eine optische Uhr auf der Basis eines Ytterbium-Atoms zu entwickeln, die einen erneuten Sprung in der Genauigkeit bedeutet. Aber man darf sich nie auf seinen Lorbeeren ausruhen, denn die Entwicklung geht immer weiter...

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Antworten

Foto: mauritius images/Brand X Pictures
Foto: mauritius images/Brand X Pictures

Autor: Jens Simon

Die Rolle des Oberlehrers bleibt in der Wissenschaft unbesetzt. In der Wissenschaft gibt es niemanden, der mit der Macht ausgestattet ist, eine Frage wie ein Stöckchen in die Gegend zu werfen, um den braven Forscher das Stöckchen als Antwort apportieren zu lassen. Ganz im Gegenteil: Der Wissenschaftler hat die Idee einer Frage – wie immer sie auch zu ihm gekommen ist – und schnitzt sich nun sein reales Stöckchen selbst. Er sucht sich eine Weidenrute, einen Birkenzweig oder ein Ästchen Eiche. Er spitzt eine Seite an oder auch beide Seiten. Vielleicht klemmt er noch eine Feder ein – schließlich ist er Wissenschaftler und weiß, dass dies das Stöckchen zum Pfeil macht und die Flugeigenschaften enorm verbessert. Jetzt prüft er die Lage. Von wo kommt der Wind? Welche Richtung verspricht mehr als eine andere? Er wirft den Pfeil. Gewiss noch einen zweiten, dritten, ...soviel er halt in seinem Köcher hat. Und drückt sich den Daumen, dass mindestens ein Pfeil treffen möge. Ein Treffer ist die größte Tröstung, die sich ein Wissenschaftler denken kann. Eine Tröstung auch jenseits von wahr oder falsch.

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Die Simulierer

Welcher Strahl wohin? Was lässt sich noch optimieren? Die drei Berliner Simulierer (v.l.n.r.) Groß, Stavridis und Bär diskutieren mit der Braunschweiger Ingenieurin Stefanie Bonifer – direkt am Objekt ihrer gemeinsamen Arbeit, dem Scatterometer.
Foto: original-okerlan
Welcher Strahl wohin? Was lässt sich noch optimieren? Die drei Berliner Simulierer (v.l.n.r.) Groß, Stavridis und Bär diskutieren mit der Braunschweiger Ingenieurin Stefanie Bonifer – direkt am Objekt ihrer gemeinsamen Arbeit, dem Scatterometer.
Foto: original-okerlan

Autor: Jan Oliver Löfken

Sie messen nicht, sie schrauben nicht – aber wichtige Ergebnisse liefern sie doch. Computer, Papier und Bleistift und schließlich ihre Köpfe sind die Werkzeuge der rund 20 Mathematiker, Physiker und Ingenieure um Markus Bär. „Wir entwickeln Modelle, Simulationen und Algorithmen für völlig verschiedene Zwecke: um Messdaten genauer zu analysieren, Versuchsaufbauten zu verbessern oder Fehlerquellen zu entdecken und zu bewerten“, umreißt der Leiter des Fachbereichs „Mathematische Modellierung und Datenanalyse“ seine tägliche Arbeit. Und obwohl sein Team nur auf zwei Etagen in einem schmucken Neubau wenige Schritte vom Berliner Landwehrkanal wirkt, strahlen die dort entwickelten Ideen und Konzepte auf viele Abteilungen der PTB aus...

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Ein weites Feld

Thomas Kleine-Ostmann macht Mikrowellen sichtbar.
Thomas Kleine-Ostmann macht Mikrowellen sichtbar.

Autorin: Erika Schow

Eine düstere, fast surreal wirkende Halle empfängt die Besucher (etwa 20 sind es schon, obwohl der „Tag der offenen Tür“ gerade erst angefangen hat). Sie staunen in den riesigen Raum hinein, der von den Ausmaßen her eine Turnhalle sein könnte. Aber hier gibt es gar keine Fenster, die wenigen Lampen spenden nur ein kümmerliches Licht. Und über die Ohren legt sich ein watteähnliches Gefühl, alle Laute klingen viel dumpfer als gewohnt. „Ist das der schalltote Raum?“ fragt eine Frau und beschaut sich vorsichtig die spitzen grauen Dinger, die aus den Wänden ragen. Selbst von der Decke hängen sie dicht an dicht, eine seltsame Buckellandschaft bildend. „Nein, hier wird nicht Schall geschluckt, sondern elektromagnetische Strahlung“, erklärt ein Mann im Anzug, der sich gerade an ihr vorbeidrückt und eine Ecke ansteuert, wo ein Versuch aufgebaut ist. Dann begrüßt er die Gruppe, stellt sich als Thomas Kleine-Ostmann vor, Leiter der PTB-Arbeitsgruppe „Elektromagnetische Felder“, und lüftet als erstes das Geheimnis um die grauen Schaumstoffkegel. „Wir messen hier elektromagnetische Strahlung, genauer Mikrowellen- und Terahertzstrahlung. Das ist quasi Licht, wenn auch nicht sichtbar und mit viel längeren Wellenlängen, etwa einen Millimeter bis einen Meter“ – er zeigt es mit den Händen. „Aber genau wie Licht kann Mikrowellenstrahlung von einer Wand reflektiert werden. Reflexionen können wir für unsere Messungen nicht gebrauchen, darum sollen diese Schaumstoff-Absorber die Wellen gewissermaßen verschlucken“. Dann ist er schon voll in Fahrt und erläutert weitere Eigenschaften von Mikrowellen – etwa, dass sie sich wie Licht beugen lassen. Er demonstriert das mit Hilfe eines Senders und einer selbstgebastelten Antenne aus zwei Drähten. Daran ist ein winziges Lämpchen angebracht, das folgsam aufleuchtet, wenn die Konstruktion ins Mikrowellenfeld gerät. Dann hebt er mit zwei Händen ein urtümlich wirkendes Gebilde in die Höhe und zeigt, wie Mikrowellen mit Hilfe einer solchen Paraffin-Linse gebündelt werden können...

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„Ich dachte, der will mich veräppeln!“

Foto: Ulf Jastrow/DESY, Hamburg
Foto: Ulf Jastrow/DESY, Hamburg

Autor: Roland Knauer


Manchmal zieht ein banaler Fehler ein aufsehenerregendes Ergebnis nach sich. Für den PTB-Physiker Mathias Richter führte ein solcher Fehler dazu, dass er Einsteins klassischen Photoeffekt um einen interessanten Aspekt ergänzen konnte. Über dessen Interpretation werden Grundlagenphysiker wohl noch einige Zeit in ihren Journalen diskutieren.

Als er von Mathias Richters Arbeit hörte, war der PTB-Präsident etwas irritiert: „Wollen Sie wirklich Einsteins Interpretation des Photoeffekts in Frage stellen?“ fragte er. Immerhin hatte Einstein für diese Erklärung im Jahr 1921 den Nobelpreis bekommen. „Nein, wir haben seine Arbeit nur auf die Spitze getrieben“, lautete Mathias Richters Antwort. Der PTB-Wissenschaftler hatte kurzwelliges UV-Licht von so hoher Intensität benutzt, wie sie zu Einsteins Zeit noch gar nicht zur Verfügung stand. Dazu kam der Kollege Zufall, ein banaler kleiner Fehler, von dem Mathias Richter amüsiert erzählt – machte er doch aus einem alltäglichen Routine-Experiment eine Entdeckung für die Grundlagenforschung. Wie ein Urlauber, der sich beim Währungsumrechnen vertut, hatte er einmal falsch dividiert: 80 Zentimeter Spiegel-Brennweite waren geplant, tatsächlich wurden es dann aber 20 Zentimeter. Nur deshalb konnte der Röntgenlaser FLASH in Hamburg so stark fokussiert werden, dass ein einziger Röntgenblitz aus einem einzelnen Xenon-Atom 21 Elektronen praktisch gleichzeitig herauskatapultierte. Bei Albert Einstein war es nur ein Elektron....

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Wunder dauern etwas länger...

Fotos: original-okerland
Fotos: original-okerland

Autorin: Brigitte Röthlein


Etwa bechergroß, handlich und harmlos sieht er aus, der silberglänzende, leicht abgeflachte Hohlzylinder. In Wirklichkeit ist er aber ein Objekt, das in der PTB mit allerhöchster Präzision in wochenlanger Feinarbeit mikrometergenau hergestellt wurde. Trotzdem kennen die Wissenschaftler im Fallturm in Bremen kein Pardon: In 120 Metern Höhe klinken sie eine Kapsel aus, die zwei dieser wertvollen Zylinder und viel Elektronik enthält, und lassen sie durch eine luftleer gepumpte Röhre in die Tiefe stürzen. Mit 180 Stundenkilometern schlägt das Objekt unten in einem Stoßfänger voller Kunststoffkügelchen auf. Anschließend untersuchen die Forscher, ob die Zylinder den Schlag mit bis zu 40-facher Erdbeschleunigung unbeschädigt überstanden haben. Wieso treibt man zuerst so großen Aufwand bei der Herstellung und behandelt dann diese empfindlichen Körper so rüde?

Die Experimente im Fallturm in Bremen sind als Tests notwendig, denn die Zylinder könnten in zwei Jahren die Welt verändern, zumindest die Welt der Physik. Dann sollen sie nämlich im Rahmen des Forschungsprojekts MICROSCOPE (MICRO-Satellite à traînée Compensée pour l'Observation du Principe d'Equivalence) zusammen mit zwei weiteren Hohlzylindern in einem Satelliten die Erde umkreisen und zeigen, ob sich träge und schwere Masse unterscheiden. Sollte sich bei diesem Experiment herausstellen, dass sich im Gravitationsfeld der Erde ein leichterer Zylinder anders verhält als ein ebenso großer, aber schwererer, dann müsste man die Gesetze der Physik umschreiben, dann hätten Galileo und Newton sich getäuscht. „Hier im Fallturm testen wir, ob das Instrument, das die Beschleunigungen misst, einwandfrei funktioniert“, sagt Hanns Selig, Projektleiter der Universität Bremen für die Fallversuche und deren Auswertung. „Das geht nur in der Schwerelosigkeit, die wir hier für wenige Sekunden erzeugen können.“...

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Nur beamen ist schöner

Foto: original-okerland
Foto: original-okerland

Autorin: Andrea Hoferichter


Mein Auto gleitet durch den sonnengesprenkelten PTB-Wald wie die Enterprise durch einen Sternenschwarm. In der hintersten Ecke taucht endlich der Chadwick-Bau auf, Herberge der Teilchenbeschleuniger und Arbeitsplatz von Helmut Eggestein. Der sitzt vor einer übermannshohen Wand aus Knöpfen, Schaltern, Lämpchen und Monitoren, über die grüne Kurven und weiße Punkte flimmern. Darüber zwei große Flachbildfernseher, auf denen Bilder von den Überwachungskameras in der benachbarten Messhalle zu sehen sind. „Die Leitzentrale unseres Van-de-Graaff-Beschleunigers“, kommentiert er das High-tech-Arrangement. Eggestein ist einer von vier Maschinisten oder „Operateuren“, wie sie hier heißen. Und der Mann, der heute die Frühschicht übernimmt.

Gerade ist der Raum leer und auf Eggesteins TV-Schirm nur das meterlange, stählerne Strahlrohr zu sehen. Darin düsen elektrisch geladene Teilchen, die mit Millionen Volt auf Hochgeschwindigkeit gebracht werden. Warp 5 erreichen sie zwar nicht, doch zig-mal schneller als der Schall sind sie allemal. Mit ihren hohen Geschwindigkeiten schlagen sie am Ende des Strahlrohrs Neutronen aus den Atomkernen eines „Targets“, das zum Beispiel aus dem Wasserstoffisotop Deuterium bestehen kann, das schwerer als gewöhnlicher Wasserstoff ist, oder aus dem chemischen Element Beryllium. Die Neutronen werden unter anderem für Untersuchungen zu Strahlenbelastungen bei Flügen oder zu Neutronen-Krebstherapien gebraucht...

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Lenken

Foto: Schiller/cmi/mediacolors
Foto: Schiller/cmi/mediacolors

Autor: Jens Simon

Der nordische Wunsch, immer eine Hand-breit Wasser unter dem Kiel zu haben, trifft auch in der Wissenschaft auf offene Ohren. Schließlich gilt es, das Ziel nie aus den Augen zu verlieren und also das Forschungsschiff auf Kurs zu halten. Auf den Weltmeeren der Wissenschaft sind dabei allerlei Schiffs- und Kapitänstypen anzutreffen. Da wären etwa der wettergegerbte Weltumsegler auf seiner Einhand-Jolle, der schneidige Windjammerkapitän, der immer dort anlegt, wo das nächste Hafenfest gefeiert wird, oder etwa der erfahrene Chef eines Containerschiffs, der genau weiß, wann die Ladung wo gelöscht sein muss. Wer erstmals auf einem Forschungsschiff anheuert, wird natürlich nicht gleich Kapitän. Aber wer der See treu bleibt, hat irgendwann die Chance, ein Schiffskommando zu übernehmen, und kann, wenn es gut läuft, den Kurs selbst bestimmen. Ob allerdings die Kapitänsrolle die richtige ist, entscheidet entweder der Einzelne vorher für sich selbst oder die anderen tun es es im Nachhinein über ihn. Wer – kraft seines freien Willens – nicht Kapitän werden will, hat gewiss seine Gründe: Vielleicht braucht er den Geruch der Dieselmotoren, muss den Wind im Segel in der eigenen Hand spüren oder liebt den Plausch mit den Deckpassagieren. Und letztendlich entscheidet die Mannschaft, ob der Kapitän auch bei unruhiger See eine gute Figur und das Schiff seinen Weg mit drei oder dreißig Knoten macht.

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Oh, du schöne Projektleitung – ade, du holde Wissenschaft

Trotz großer Projektverantwortung gelassen im Hier und Jetzt – Peter Becker, Leiter des internationalen Avogadroprojekts, das zur
Neudefiniton des Kilogramms beitragen soll.
Trotz großer Projektverantwortung gelassen im Hier und Jetzt – Peter Becker, Leiter des internationalen Avogadroprojekts, das zur
Neudefiniton des Kilogramms beitragen soll.

Autorin: Anne Hardy

Peter Becker strahlt die Zufriedenheit eines Menschen aus, der die meiste Zeit seines Lebens genau das gemacht hat, was ihm gefällt. Bevor er die Leitung des Avogadro-Projekts übernahm, war er als Kristallograph weit über die PTB hinaus anerkannt. Dennoch trauert er der Arbeit am Röntgenspektrometer nicht nach. Was ihn lockte, die Laborbank gegen den Schreibtisch im Projektbüro zu tauschen, war die Möglichkeit, selbst die Marschrichtung für ein internationales Forschungsprojekt vorzugeben.

Seit 1995 koordiniert er die Arbeit von verschiedenen Partnern aus Deutschland, Italien, Japan, den Vereinigten Staaten, Australien und Großbritannien. Jede Gruppe leistet auf ihrem Gebiet hochspezialisierte Pionierarbeit. Becker behält das Ziel der gemeinsamen Expedition in wissenschaftliches Neuland vor Augen, vermittelt zwischen den mehr oder weniger eigenwilligen Teilnehmern und hält sie bei Laune, wenn der Weg beschwerlich wird. Inzwischen hat der sympathische Forschungsmanager, der seinen Besuchern auch mal eigenhändig Kaffee kocht, das Rentenalter erreicht. Doch bis zum Abschluss des Projekts, Ende 2011, wird sein Vertrag verlängert...

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Vom Forscher zum Präsidenten

Chef aller Einheiten: Prof. Dr. Ernst O. Göbel
Chef aller Einheiten: Prof. Dr. Ernst O. Göbel

Autor: Frank Frick

Ein Gespräch mit Ernst Otto Göbel über seine Karriere, den Alltag eines leitenden Wissenschaftsmanagers und schwierige Entscheidungen

Redaktion: Wann haben Sie angefangen, das Amt des PTB-Präsidenten anzustreben – als Schüler, als Student oder erst später als Universitätsprofessor?

Ernst O. Göbel: Nie! Als ich Universitätsprofessor für experimentelle Festkörperphysik in Marburg war, wurde ich 1994 in die PTB zum Kolloquiumsvortrag eingeladen, ohne zu ahnen, warum. Bei dieser Gelegenheit nahm mich der damalige PTB-Präsident Dieter Kind beiseite und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, sein Nachfolger zu werden. Meine spontane Antwort war: Nein. Herr Kind hat aber nicht lockergelassen und mich mehrfach nach Braunschweig und Berlin eingeladen. Auf dem Hinweg überlegte ich mir jeweils, wie ich es den Leuten bei der PTB sagen sollte, dass ich in Marburg bleiben wollte. Und auf dem Rückweg nach Marburg dachte ich darüber nach, wie ich es dort sagen sollte, dass ich eigentlich zur PTB will.

Was hat schließlich den Ausschlag gegeben?...

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Ordnen

Autor: Jens Simon

Ordnung ist das halbe Leben. Aber was steckt in der anderen Hälfte? Der Ordnungsgedanke ist in der Wissenschaft tatsächlich sehr stark. Das beginnt schon beim wissenschaftlichen Studium. Wer seinen Lernalltag nicht planvoll strukturiert und systematisch pflegt und aufbereitet, wird sich spätestens zu Prüfungszeiten schwertun. Wer als Wissenschaftler nach neuer Erkenntnis strebt, muss seine Gedanken ordnen, sein Experiment, seine Simulation, seine Berechnungen ordentlich vorbereiten. Aus den Aufzeichnungen im Laborbuch will man auch noch zwei Jahre später verstehen, was wann wo wie passiert ist. Und schließlich müssen die Ergebnisse, die veröffentlichungsreifen, in logischer Ordnung zu Papier gebracht werden. Wenn es dann auch noch Projekte oder Institute zu managen gilt, ist derjenige verloren, der alles ganz freihändig und spontan leiten will. Also Ordnung, wohin man schaut. Aber aus dem hohen Lied der Ordnung wird nur dann ein Loblied, wenn die andere Hälfte – die kreative Seite – nicht vernachlässigt wird. Wer in unbekanntes Land vordringt, schert sich einen Teufel darum, ob alle Hinweise des Qualitätsmanagements beachtet wurden oder ob das Reisegepäck das zulässige Gesamtgewicht nicht überschreitet. Das Neue kommt nicht allein durch Ordnunghalten in die Welt. Beide Seiten sind Partner und kommen nur gemeinsam voran. Aber zugleich sind beide egoistisch und möchten sich den ganzen Menschen untertan machen. Der sollte auf der Hut sein und an seinen Paul Valéry denken, der das Wesentliche auf eine knappe Formel gebracht hat: Zwei Gefahren bedrohen unaufhörlich die Welt, die Ordnung und die Unordnung.

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Wer schreibt, der steigt

Autor: Frank Frick

Einfälle, Erfahrungen und Erlebnisse, die man zu Papier gebracht hat, bestehen in der Nachwelt fort. Sprichwörtlich gilt: Wer schreibt, der bleibt. So langfristig denkt wohl selten ein Naturwissenschaftler, wenn er für Artikel und Konferenzbeiträge in die Computertastatur greift. Denn nur indem er Ergebnisse publiziert und präsentiert, kann er die Karriereleiter hinaufsteigen – eine Tatsache, die leidvolle, absonderliche oder komische Folgen haben kann.

Kalle Koch* hatte ein halbes Jahr nach Abschluss seiner Doktorarbeit der chemischen Forschung endgültig „ade“ gesagt. Seitdem waren weitere fünf Jahre vergangen, als er Post vom Sekretariat seines ehemaligen Doktorvaters bekam. Darin lag der druckfrische Sonderdruck einer Fachzeitschrift. Verblüfft las Koch, dass zwei ehemalige Kollegen, ein Unbekannter und er selbst als Autor angegeben waren – neben seinem Doktorvater Professor Clever* natürlich. Tatsächlich ging es in dem Artikel um Substanzen, die Koch früher hergestellt und erforscht hatte. Einige Messungen schienen aus seiner Doktorandenzeit zu stammen, waren aber mit weiteren Untersuchungen und theoretischen Überlegungen erheblich angereichert worden...

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Spezialistinnen am Werk – wie man in einem Reinraumzentrum sauber macht

Foto statt Frühstückspause: Eleonore Dette (links) und Cornelia
Wallbaum posieren mit dem Putzmittelwagen.
Foto statt Frühstückspause: Eleonore Dette (links) und Cornelia
Wallbaum posieren mit dem Putzmittelwagen.

Autor: Imke Frischmuth

Forscher sind Schmutzfinken. Mindestens 100 000 Partikel verstreuen sie schon in nachdenklich sitzender Pose pro Minute. Hasten sie gar, alarmiert durch einen Geistesblitz oder ein blinkendes Lämpchen, durchs Labor, erhöht sich die Anzahl der Partikel drastisch. Dazu erzeugen sie noch Luftverwirbelungen, die Hautschluff, Haarschuppen, Staub und Schweißtröpfchen wie Laub im Herbstwind tanzen lassen. Das kann tödlich sein: zumindest für kleinste elektronische Bauteile. Zum Schutz der Elektronik wird die Schmutzquelle Forscher verpackt. Bis zum Hals und noch darüber hinaus. Dann erst darf der Wissenschaftler rein in den sogenannten Weißbereich des Reinraumzentrum auf dem PTB-Gelände – aber schön langsam und keinen Wirbel machen! Im Inneren des Gebäudes befinden sich die Labore mit der größten Empfindlichkeit gegenüber Luftverunreinigungen: Hier stehen die Prozessanlagen und Analyseeinrichtungen zur Herstellung von integrierten Schaltungen für die Quantenmetrologie. Die letzen paar tausend Teilchen, die dem eingehüllten Forscher hier noch entweichen, werden von der aufwendigen Lüftungstechnik durch die Löcher im Boden gesogen und verschwinden in den gigantischen Filtern im oberen Stockwerk...

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Das Letzte

Foto: Science Photo Library / Agentur Focus
Foto: Science Photo Library / Agentur Focus

Autor: Erika Schow

Natürlich, so sieht er aus: Grauweiße Haare umwallen den Kopf, die Augen schweifen unstet in unbekannte Regionen. Einmal angesprochen, zuckt er zusammen, kehrt zurück in die Gegenwart – und wird jäh zum Witzbold, der die Gesellschaft gerne unterhält, ja mit kindlichen Späßen (Zunge raus!) auf die Probe stellt. Dies ist ein Wissenschaftler, wie er im Buche steht. Genauso sehen ihn amerikanische High-School-Absolventen, die man in einer Umfrage nach den typischen Merkmalen eines Forschers gefragt hat. Alles klar: Einstein, der populäre Wissenschaftler schlechthin.

Populärer Wissenschaftler mit Nobelpreis, das wäre mein Wunschberuf. Ob sich das mit ausreichend Zielstrebigkeit wohl erreichen lässt? Fangen wir beim Einfachsten an, dem äußeren Erscheinungsbild, etwa der weißen Mähne. Natürlich legt sie den Berufsweg noch nicht eindeutig fest (bildender Künstler oder Dirigent wären auch noch möglich), aber immerhin: ein Start. Allerdings mit einem Schönheitsfehler: Ich bin eine Frau. Wer würde bemerken, dass sich bei mir eine grundlegende Wandlung hin zur Wissenschaft vollzogen hat, wenn ich eines Tages mit weiß gebleichtem, wallendem Haar bei meinen Freunden erschiene. Ich fürchte fast, gerade die Naturwissenschaftler unter ihnen würden überhaupt nichts bemerken...

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