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Ein neues Fundament für alle Maße

Naturkonstanten sollen in Zukunft die Einheiten im Internationalen Einheitensystem definieren

26.03.2015

Die Sekunde und der Meter sind als Streber schon vorgeprescht. Das Kilogramm, das Ampere und die anderen aus der Klasse der physikalischen Basiseinheiten versuchen nun den Anschluss zu schaffen. So könnte man ausdrücken, was sich gerade in der Welt der Metrologie, in der Welt des Messens, tut. Das Internationale Einheitensystem steht vor einer grundlegenden Neudefinition: Naturkonstanten sollen in Zukunft für alle sieben Basiseinheiten und für alle abgeleiteten Einheiten als definierende Bezugsgrößen dienen. Anfällige Objekte wie das Ur-Kilogramm oder völlig unpraktische Formulierungen wie für die elektrische Stromstärke werden dann ausgedient haben. Die experimentellen Vorbereitungen für diese neuen Definitionen laufen weltweit – und speziell in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) – auf Hochtouren. Auf der nächsten Generalkonferenz für Maß und Gewicht im Jahr 2018 soll diese neue Ära dann voraussichtlich offiziell eingeläutet werden. Den großen Nutzen werden Wissenschaft und Hochtechnologie haben. Der Verbraucher wird die Veränderungen in seinen Alltagsmessungen nicht spüren.

Im neuen Internationalen Einheitensystem (SI) werden sieben Naturkonstanten als definierende Bezugsgrößen festgelegt. (Grafik: PTB)

Wie lang eine Sekunde, wie weit ein Meter und wie schwer ein Kilogramm ist, weiß jeder – zumindest so ungefähr. In einer Hightech-Welt wollen die Dinge allerdings ein wenig genauer als ungefähr vermessen sein. Und so versuchen die Metrologen dieser Welt, die Grundlagen Ihres Tuns seit jeher auf solide Füße zu stellen und die physikalischen Einheiten bestmöglich zu definieren. Wären alle Definitionen bereits so weit wie heute schon die Zeit- und die Längeneinheit, die Sekunde und der Meter, wäre die metrologische Welt vollständig in Ordnung. Bei der Zeitmessung sind Atomuhren seit knapp 50 Jahren das Maß der Dinge – aus der Energiestruktur eines Cäsiumatoms lässt sich hier die Sekunde ableiten. Bei der Längenmessung hat der Urmeterstab auch schon seit Jahrzehnten ausgedient und moderneren Definitionen Platz gemacht. Heute ist der Meter diejenige Strecke, die das Licht in einem ganz gewissen Bruchteil von einer Sekunde zurücklegt. Mit der Lichtgeschwindigkeit als unveränderlicher Naturkonstante ist diese Definition perfekt. Sie lässt sich, anders als beim Urmeterstab, nicht verbiegen, verlängern, verkürzen oder anderweitig verändern.

Ebenso hätten es die Metrologen auch gern bei allen anderen Basiseinheiten, speziell bei Kilogramm und Mol, bei Ampere und Kelvin. Die Situationen bei diesen vier sind stark verbesserungswürdig: Das internationale Ur-Kilogramm und seine nationalen Kopien leiden unter Masseschwankungen und unerklärten Driften. Die Kelvin-Temperaturskala ist auf Wasser gebaut – und der definierende Fixpunkt dieser Skala (der so genannte Tripelpunkt) ist sensibel abhängig von der genauen Isotopenzusammensetzung des verwendeten Wassers. Das Ampere ist über eine idealisierte Versuchsanordnung zweier unendlich langer, unendlich dünner Leiter und deren Kraftwirkung aufeinander definiert – ein Anachronismus vor allem im Vergleich zu den Einheiten für die elektrische Spannung und den elektrischen Widerstand, die sich auf Quanteneffekte stützen.

Dieser Zustand bei einigen der Basiseinheiten quält die Metrologen schon seit Jahren und ist damit zugleich enormer Ansporn, nach Lösungen zu suchen. Wie bei Sekunde und Meter könnten Naturkonstanten alles zum Guten wenden. Sobald eine Beziehung zwischen einer Basiseinheit und einer Naturkonstante gefunden ist, kann die alte Definition zu den Akten gelegt werden, sofern (und genau hier ist die eigentliche Aufgabe begründet) eben diese Naturkonstante mit hinreichend guter Genauigkeit bekannt ist, d. h. mit eben dieser Genauigkeit gemessen werden kann. In den Laboratorien der Nationalen Metrologieinstitute (NMI) laufen daher Experimente zur Messung dieser ausgewählten Naturkonstanten. Und mittlerweile sind die Ergebnisse so vielversprechend, dass das Internationale Komitee für Maß und Gewicht auf seiner letzten Generalkonferenz im November 2014 eindeutige Resolutionen für ein neues Einheitensystem verabschiedet hat: Aller Voraussicht nach werden die neuen Definitionen bei der nächsten Generalkonferenz im Jahr 2018 in Kraft treten und damit für alle 55 Mitglieds- und 41 assoziierten Staaten der Meterkonvention verbindlich.

Die verbleibende Zeit bis zur nächsten Generalkonferenz wird nun in allen großen NMI dazu genutzt, die neuen Definitionen experimentell vorzubereiten. In der PTB sind dabei alle Basiseinheiten ein heißes Forschungsobjekt: Die PTB-Ergebnisse bei der Messung der Naturkonstanten für das neue Kilogramm (Planck-Konstante), das neue Mol (Avogadro-Konstante) und das neue Kelvin (Boltzmann-Konstante) sowie die Realisierung des neuen Ampere (Elementarladungen pro Sekunde) sind Schlüsselergebnisse für die Neudefinitionen.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Joachim Ullrich, Präsident der PTB und Präsident des Consultative Committee for Units (CCU),
E-Mail: joachim.ullrich(at)ptb.de,
Telefon: (0531) 592-1001

Weiterführende Informationen:

J. Stenger, J. H. Ullrich, „Für alle Zeiten … und Culturen“, Physik Journal 13 (2014) Nr. 11
Resolutionen der 25. CGPM (General Conference on Weights and Measures): Opens external link in new windowhttp://www.bipm.org/en/cgpm-2014/

Anhang:

Naturkonstanten zur Neudefinition der Basiseinheiten im Internationalen Einheitensystem (SI = Système international d´unités)

Die geplanten Neudefinitionen im SI verbinden jede Basiseinheit mit einer „definierenden Konstante“ und legen die Zahlenwerte für diese sieben ausgewählten Konstanten fest. Eine eindeutige Eins-zu-eins- Abbildung existiert für die Sekunde und das Mol. Für die anderen Basiseinheiten braucht man mehr als eine festgelegte Konstante, beispielsweise für das Meter neben der Lichtgeschwindigkeit auch die Cäsium-Referenzfrequenz. Wichtig ist im Rahmen der Neudefinition, dass mit der Festlegung der sieben Konstanten automatisch auch alle abgeleiteten Einheiten definiert sind, so ist etwa das Coulomb (als Ampere mal Sekunde) direkt ein Vielfaches der Konstante „Elementarladung“.

Phys. Größe Basiseinheit definierende Naturkonstante
Zeit Sekunde Δν(133Cs)hfs (Hyperfeinstrukturübergang)
  Die Frequenz Δν(133Cs)hfs des Hyperfeinstrukturübergangs des Grund­zustands des Cäsiumatoms ist genau gleich 9 192 631 770 Hertz, Hz.
Länge Meter c (Lichtgeschwindigkeit)
  Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c ist genau gleich 299 792 458 Meter durch Sekunde, m s–1
Masse Kilogramm h (Planck-Konstante)
  Die Planck-Konstante h ist genau gleich 6,626 069 57 · 10–34 Joulesekunden, J s.
elektrische
Stromstärke
Ampere e (Elementarladung)
  Die Elementarladung e ist genau 1,602 176 565 · 10–19 Coulomb, C.
Temperatur Kelvin kB (Boltzmann-Konstante)
  Die Boltzmann-Konstante kB ist genau 1,380 648 8 · 10–23 Joule durch Kelvin, J K–1.
Stoffmenge Mol NA (Avogadro-Konstante)
  Die Avogadro-Konstante NA ist genau 6,022 141 29 · 1023 durch Mol, mol–1.
Lichtstärke Candela KCD (photometrisches Strahlungsäquivalent)
  Das photometrische Strahlungsäquivalent KCD einer monochromatischen Strahlung der Frequenz 540 · 1012 Hertz ist genau gleich 683 Lumen durch Watt, lm W–1.