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Die Zeit auf Langwelle

50 Jahre Zeitaussendung mit dem Langwellensender DCF77 / Sommerzeit beginnt am letzten Märzwochenende

12.03.2009

Wenn ein Radiosender seit Jahrzehnten und deutschlandweit mehr und mehr Zuhörer erreicht, muss es sich entweder um einen besonderen Radiosender oder um besondere Zuhörer handeln. In diesem Fall ist beides richtig. So schickt der Sender, der den Namen DCF77 trägt und in Mainflingen in der Nähe von Frankfurt steht, sein völlig wiederholungsfreies Programm auf Langwelle 77,5 kHz in die Welt. Gewöhnliche Radios sind für diese Frequenz zwar nicht empfänglich, aber Funkuhren, deren gegenwärtige Anzahl mit 100 Millionen eher unterschätzt ist, empfangen mit ihren speziellen Antennen die aktuellsten Nachrichten, die sich überhaupt denken lassen: präzise Zeitinformationen von den Atomuhren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Die Zeitaussendung über den Langwellensender DCF77 feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass richtet die PTB in Braunschweig am Montag, 23. März 2009, ab 14 Uhr ein öffentliches Kolloquium aus, das sich in mehreren Vorträgen - von der Historie bis zu aktuellen Entwicklungen - der Zeitaussendung widmet. Alle Interessierten und alle Zeitliebhaber sind herzlich eingeladen.

Der Langwellensender DCF77 ist das bedeutendste Medium zur Verbreitung der gesetzlichen Zeit in Deutschland.

Die aktuellen Zeitinformationen werden direkt am Standort des Langwellensenders DCF77 mit Hilfe dieser Steueranlage erzeugt. Drei kommerzielle Atomuhren geben dabei den Takt vor.

Das Sendeprogramm von DCF77: aktuelle Zeitinformationen zu Minute, Stunde, Tag, Woche, Monat und Jahr kodiert mit kurzen und langen Sekundenmarken für binäre Nullen und Einsen.

Sendemast von DCF77 in Mainflingen, südöstlich von Frankfurt/M

Seit 1959, dem Beginn der Zeitaussendung mit DCF77, hat sich allerdings das Sendeprogramm erheblich gewandelt. In den 60er Jahren war für das Programm nicht ausschließlich die PTB verantwortlich. Vielmehr teilte sie sich die Aufgaben bis 1970 mit dem Deutschen Hydrographischen Institut (DHI) in Hamburg. Während die PTB mit hochgenauen Uhren - damals noch Quarzuhren - die Trägerschwingung des Radiosignals (die erwähnten 77,5 kHz) und sogenante Zeitmessmarken zur Bestimmung von Zeitintervallen erzeugte, kamen die Zeitzeichen vom DHI, das damals zuständig für die amtliche Zeit war. So sollten Schiffe auf See mit diesen Zeitzeichen ihre aktuelle Position und ihren momentanen Kurs bestimmen können. Aber auch die öffentlichen Rundfunkanstalten konnten dieses Signal für ihre Fernseh- und Radiouhren ("Beim nächsten Ton ist es ...") verwenden. Die feinsinnigen Unterschiede zwischen den Zeitmarken des DHI (astronomisch bestimmt) und den Zeitmessmarken der PTB (per Quarzuhr bestimmt) lösten sich dann allerdings durch den Übergang von Quarz- auf Atomuhren in Wohlgefallen auf, da auch die auf astromischer Basis definierten Zeitzeichen sich in der Praxis auf das Ticken der Atomuhren abstützten.

Und so wurden die Atomuhren der PTB der maßgebende Taktgeber im Land, was schließlich auch im Zeitgesetz von 1978 seinen Niederschlag fand. Denn das Zeitgesetz übertrug alle Verantwortlichkeiten zur Darstellung und Verbreitung der Zeit der PTB. Seit Anfang der siebziger Jahre bekommt das Sendeprogramm von DCF77 nach und nach die Form, die es im Prinzip bis heute beibehalten hat: die Aussendung einer vollständigen Zeitinformation in kodierter Form, und dies rund um die Uhr. DCF77 war der erste Sender dieser Art in Europa und nach den USA der zweite weltweit. Die einzelnen, ausgesendeten Sekundenmarken in diesem Zeitkode können auf "kurz" oder "lang" geschaltet werden, sodass jede Sekunde als ein Bit fungiert. In den 60 Sekundenticks einer Minute, also 60 Bits, lassen sich alle Angaben zu Minute, Stunde, Tag, Woche, Monat und Jahr unterbringen (z.B. sind für die sieben möglichen Wochentage die 3 Bits der Sekundenmarken 42 bis 44 reserviert; der Montag, als erster Tag der Woche, wird etwa mit "lang-kurz-kurz" kodiert). Damit die Funkuhr auch weiß, welche Sekundenmarke gerade eben gesendet wird, muss ein Anfang des minütlichen Zeittelegramms definiert werden. Dies schafft die letzte Sekundenmarke der Minute, in der kein kurzes oder langes Signal gesendet wird, sondern einfach Stille. Hört die Funkuhr dieses Pausenzeichen, so beginnt mit dem nächsten Sekundentick die folgende Minute und damit ein neues Zeittelegramm.

Grundsätzliche Programmänderungen sind bei DCF77 nicht vorgesehen - schließlich wüssten in diesem Fall die Funkuhren nicht mehr, wie die Sekundenticks zu interpretieren sind und was die Zeit geschlagen hat. Eine Ausnahme betrifft allerdings die Sekundenmarken 1 bis 14, die jahrzehntelang weitgehend ungenutzt (zuletzt fast permanent mit dem Bitwert "kurz" belegt) verstrichen. Seit einiger Zeit werden diese Sekundenmarken für die Kodierung aktueller Wetterinformationen und - im Fall der Fälle - zur Bevölkerungswarnung bei Gefahrensituationen verwendet - wobei für diesen Programmteil naturgemäß nicht die PTB zuständig ist.

Wenn in der Nacht vom 28. auf den 29. März alle Funkuhren automatisch auf Sommerzeit springen, so liegt dies allerdings in der Verantwortung der PTB. Die Stundenzählung springt dann von 01:59 auf 03:00. Die Sekundenmarken 17 und 18, bis dahin als kurz-lang belegt, springen auf lang-kurz, und so bleibt es bis zum letzten Oktoberwochenende.

PTB-Kontakt:
Dr. Andreas Bauch
Physikalisch-Technische Bundesanstalt
PTB-Arbeitsgruppe "Zeitübertragung"
Bundesallee 100
38116 Braunschweig
Tel.: 0531 / 592 4420
E-Mail: andreas.bauch@ptb.de

Weitere Informationen (Links):
PTB-Kolloquium am 23. März 2009 (Beginn 14 Uhr) im PTB-Hörsaal, Bundesallee 100, 38116 Braunschweig