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Neue Bestimmung der Feinstrukturkonstanten durch die PTB

13.11.1995

Abbildung: Meßapparatur zur Messung des Verhältnisses der Fundamentalkonstanten h/mn am Institut Laue-Langevin in Grenoble

Um die stetig steigenden Anforderungen an die Meßgenauigkeit in Forschung und Industrie erfüllen zu können, werden die physikalischen Einheiten mehr und mehr auf Fundamentalkonstanten zurückgeführt. Bei den meisten von ihnen ist dies bereits gelungen, z. B. bei der Längeneinheit Meter und beim Ohm, der Einheit des elektrischen Widerstandes. Eine wesentliche Voraussetzung für diese Art der Darstellung ist die genaue Kenntnis der Fundamentalkonstanten.

Im Rahmen eines Forschungsprogramms wurde in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) die Feinstrukturkonstante alpha nach einer neuen Methode mit höchster Präzision gemessen (s. Metrologia, 32 (1995), S. 117-128). Sie ist ein Maß für die Kraft, mit der elektromagnetische Strahlung, wie Licht oder Radiowellen, auf geladene Teilchen wirkt, und besitzt daher große Bedeutung für die Quantenelektrodynamik, eine der fundamentalen Theorien der heutigen Physik.

Bei der neuen Methode wird die Feinstrukturkonstante nach einer Formel berechnet, die aus der Beschreibung des Wasserstoffatoms stammt. In dieser Formel tritt neben sehr genau bekannten Fundamentalkonstanten der Quotient aus Planckschem Wirkungsquantum h und Neutronenmasse mn auf. Dieser muß möglichst genau gemessen werden. Das Plancksche Wirkungsquantum ist die wichtigste Konstante der Quantenphysik, und das Neutron ist neben dem Proton einer der beiden Bausteine, aus denen alle Atomkerne zusammengesetzt sind. Freie Neutronen entstehen bei der Spaltung von Atomkernen und werden den Physikern an Forschungsreaktoren in Form von Neutronenstrahlen zur Verfügung gestellt.

Die Quantentheorie besagt, daß frei fliegende Elementarteilchen, z. B. Neutronen, sich einerseits wie Billardkugeln verhalten, die eine bestimmte Geschwindigkeit besitzen, und andererseits Lichtwellen ähneln, die durch eine Wellenlänge beschrieben werden. Man spricht dann von Materiewellen. Bei dem Experiment wird sowohl die Geschwindigkeit als auch die Wellenlänge freier Neutronen bestimmt. Nach einer von dem französischen Physiker und Nobelpreisträger Louis de Broglie im Jahr 1924 angegebenen Formel ist das Produkt aus diesen beiden Größen gleich dem gesuchten Quotienten h/mn.

Um Neutronen bekannter Wellenlänge zu erhalten, läßt man einen Neutronenstrahl senkrecht auf einen Silicium-Einkristall treffen. In diesem sind die Atome auf parallelen Ebenen angeordnet, die in gleichem, sehr genau bekanntem Abstand aufeinander folgen. Neutronen, deren Wellenlänge gleich dem Doppelten dieses Abstands ist, werden vom Kristall reflektiert. Die übrigen fliegen ungehindert weiter. Die Geschwindigkeit der reflektierten Neutronen wird gemessen. Dazu ermittelt man die Zeit, die sie zum Durchfliegen einer sehr genau vermessenen Strecke von ca. 20 m Länge benötigen.

Am Forschungsreaktor der PTB in Braunschweig wurden zahlreiche Vorversuche für das Experiment ausgeführt. Da die Genauigkeit der Geschwindigkeitsmessung mit der Intensität des verfügbaren Neutronenstrahls zunimmt, wurden die endgültigen Messungen jedoch am Hochflußreaktor des Instituts Laue-Langevin in Grenoble, Frankreich, durchgeführt. Dieser ist zur Zeit die stärkste Neutronenquelle der Welt.

Aus den Messungen ergibt sich für den Quotienten aus Planckschem Wirkungsquantum und Neutronenmasse der Wert

h/mn = 3,956 033 320 x 10-7 m2s-1

mit einer relativen Unsicherheit von 8 x 10-8. Hieraus berechnet sich der üblicherweise angegebene Kehrwert der Feinstrukturkonstanten zu

alpha-1 = 137,036 010 82.

Dessen relative Unsicherheit beträgt 4 x 10-8, also 40 Milliardstel.

Mit diesem Ergebnis liefert die PTB einen wichtigen Beitrag zur Überprüfung der Quantenelektrodynamik und zur besseren Kenntnis der Naturkonstanten. Neben dem wissenschaftlichen Aspekt hat der neue Wert der Feinstrukturkonstanten aber auch praktische Bedeutung für die gesetzlichen Aufgaben der PTB: Er dient der genaueren Darstellung der Einheit Ohm.

 

Weitere Informationen:
Dr. Echhard Krüger
Laboratorium Neutronenbeugung
Tel.: 0531 / 592-7421