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Messungen

Meine Messungen: Kohlenstoffchemie des Meeres (26. April 2023)

 

Position am 26.04.2023Momentane Position der "Sonne" (Raute) während des Schreibens. Fast am Äquator angekommen. Die Kreise sind die Positionen der vorherigen Blogeinträge, die schwarze Linie zeigt die grobe Strecke an, die wir gefahren sind (Kartendaten von Opens external link in new windowggplot2)


Heute möchte ich ein bisschen erklären, was ich denn hier eigentlich genau messe. In der Vorstellung zu Anfang wurde ja schon ein wenig erwähnt, dass es bei mir in der Promotion um pH von Meerwasser geht. Der pH-Wert ist jedoch nur einer von vier Parametern, der das Kohlenstoffsystem des Wassers beschreibt. Die drei weiteren sind der Partialdruck von CO2, Alkalinität und gelöster anorganischer Kohlenstoff. Von diesen insgesamt vier Parametern messen wir hier an Bord Alkalinität, pH und den Partialdruck von CO2 dauerhaft für das Oberflächenwasser. Da das alles etwas abstrakt ist und sicherlich die meisten hier mit den ganzen Begriffen nicht wirklich etwas anfangen können, werde ich versuchen alles etwas vereinfacht kurz zu erklären. Das Ganze ist wahnsinnig kompliziert, deshalb wird die Darstellung hier stark vereinfacht. Ich versuche einen Überblick zu geben, der aber keinesfalls vollständig und detailliert sein wird. (Wem die ganzen Definitionen zu viel werden, kann bis zum Abschnitt „Zusammenhänge“ springen.)

Beginnen wir mit dem Parameter, den die meisten zumindest sicherlich schon mal gehört haben, dem pH-Wert.

pH-Wert
An den pH-Wert erinnern sich einige vielleicht noch ganz dunkel aus der Schule, irgendwas mit Säuren und so. Allgemein sagt der pH-Wert einer Lösung einem, wie sauer oder basisch die Lösung ist. Absolut reines Wasser hat einen pH-Wert von 7, ist etwas sauer, ist der pH-Wert niedriger, ist etwas basisch, ist er höher. Aber was heißt „sauer“ und „basisch“ denn eigentlich?

Die Definition des pH-Werts ist, dass dieser der negative dekadische Logarithmus der Wasserstoffionen-Aktivität ist. Das bringt einen jetzt aber auch erstmal nur bedingt weiter. Vereinfacht bedeutet das, dass der pH-Wert die Konzentration von Wasserstoffionen (H+) beschreibt. Also ist es im Grunde so, dass der pH-Wert einem sagt, ob viel oder wenig Wasserstoffionen in der Lösung sind (tatsächlich schwimmen die Ionen nicht frei im Wasser rum, aber das wird etwas kompliziert). Als negativen Logarithmus gibt man es aus Bequemlichkeit an, das macht die Zahlen angenehmer zu handhaben, das führt allerdings dazu, dass ein niedrigerer pH-Wert mehr Wasserstoffionen bedeutet als ein höherer.

In Meerwasser wird die Definition von pH noch etwas komplizierter, weil dort viele verschiedene Salze gelöst sind. Diese werden zum Teil dann mit einbezogen und der entstehende Wert wird als Gesamt-pH-Wert („total pH“ auf Englisch, deshalb pHT oder auch pHT) bezeichnet. Der pHT-Wert ist der momentane Konsens, welcher als pH-Wert für Meerwasser zu nutzen ist, es gibt allerdings auch noch weitere pH-Skalen.

Jetzt habe ich ja oben in der Einleitung geschrieben, dass es um das Kohlenstoffsystem geht. Bei pH kommt ja aber offenbar gar kein Kohlenstoff vor … Tatsächlich gibt es aber eine Verbindung zwischen dem pH-Wert des Meerwassers und dem darin gelösten CO2. Denn wenn sich CO2 in Wasser löst, entsteht Kohlensäure (wie bei Wassersprudlern), und diese Kohlensäure verändert den pH-Wert des Wassers. Mit zunehmender CO2-Konzentration der Luft steigt global gesehen die Menge an CO2, die durch das Meer aufgenommen wird, und der pH-Wert sinkt im Durchschnitt. Dies wird Ozeanversauerung genannt und führt zum Beispiel dazu, dass Korallen nicht mehr so gut wachsen können.

Das Ganze ist eigentlich wesentlich komplexer, als ich es hier zusammenfassend dargestellt habe, wer mehr wissen möchte, kann zum Beispiel beim Opens external link in new windowWikipedia-Artikel zur Ozeanversauerung starten.


Alkalinität
Im Gegensatz zum pH-Wert ist Alkalinität kein Begriff, der einem oft über den Weg läuft. Wie auch beim pH-Wert wird für Meerwasser in der Regel die Gesamtalkalinität („total alkalinity“ auf Englisch) bestimmt, was wieder beschreibt, welche Ionen(reaktionen) in der Betrachtung einbezogen werden.

Die Alkalinität beschreibt die Kapazität einer Lösung, Wasserstoffionen zu binden. Im Grunde also, wie stark sich der pH-Wert ändert, wenn eine Säure zugegeben wird. Im Meerwasser wird dazu, z.B. mit einer Salzsäure-Titration, die Konzentration der Basen bestimmt, die Wasserstoffionen aufnehmen können. Das klingt zwar ähnlich wie der pH-Wert, ist aber nicht genau das Gleiche. Die Alkalinität von Meerwasser verändert sich zum Beispiel proportional mit der Salinität (was bei Meerwasser heißt, wie stark es verdünnt ist), während der pH-Wert dies nicht tut.

Keine Sorge, wenn das jetzt alles ziemlich verwirrend ist. Alkalinität ist ein nicht gerade intuitives Konzept.


Partialdruck von CO2

Den Partialdruck kennt man vielleicht aus der Biologie, wo er beim Übergang von Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid zwischen Luft und Blut eine Rolle spielt. Im Grunde handelt es sich dabei um eine Aussage, wie viel CO2 im Wasser gelöst ist. Den Wert kann man dann zum Beispiel mit dem Partialdruck in der Atmosphäre bestimmen und damit feststellen, ob CO2 eher in das Wasser hinein oder hinaus diffundiert. Vergleichbar wie bei unterschiedlichen Temperaturen, tendiert das CO2 zum Bereich mit niedrigerem Partialdruck. Messen wir also zum Beispiel einen Partialdruck von etwa 500 µatm im Meerwasser und wissen, dass die Atmosphäre etwa einen Partialdruck von 400 µatm hat, können wir daraus ableiten, dass das Meer CO2 abgibt. Würden wir dagegen 300 µatm messen, würde das Meer CO2 aufnehmen.


Gelöster anorganischer Kohlenstoff
Als gelöster anorganischer Kohlenstoff („dissolved inorganic carbon“ auf Englisch, DIC) werden die verschiedenen nicht-organischen Kohlenstoffverbindungen zusammengefasst, die im Wasser gelöst sind. Das sind zum Großteil verschiedene Formen der Kohlensäure. In diesem Fall ist der Name mal wirklich beschreibend. Was nicht dazu gehört sind, organische Verbindungen und nicht gelöste Stoffe, also keine Überraschung.


Zusammenhänge
So, jetzt haben wir erstmal einen Überblick, was das alles überhaupt ist. Diese vier Parameter sind nicht unabhängig voneinander. Tatsächlich kann man, wenn man zwei von ihnen hat, die anderen beiden berechnen (mit größeren oder kleineren Unsicherheiten, je nach Parameter-Kombination). Zusammen beschreiben sie den jeweiligen Zustand des Kohlenstoffsystems. Dies ist zum einen interessant, um die bereits erwähnte Ozeanversauerung und ihre Auswirkungen besser zu verstehen und zu verfolgen, zum anderen aber auch, um zum Beispiel den Kohlenstoffkreislauf besser zu verstehen und wie sich die verschiedenen Regionen der Erde unterscheiden. Regionale Unterschiede können große Differenzen in den jeweiligen Effekten von Ozeanversauerung und Klimaerwärmung bedeuten, und diese sind wiederum wichtig, um die globalen Auswirkungen und Dynamiken zu verstehen.

Trotz einiger Jahrzehnte Forschung ist längst noch nicht alles zur Meereschemie bekannt und es gibt viele Veränderungen, die es besonders wichtig machen, ein besseres Verständnis zu entwickeln.

Ohne zu wissen, wie der Zustand momentan ist und was welche Auswirkungen hat, lassen sich keine sinnvollen Prognosen treffen. Und Größen wie der pH-Wert spielen für viele biologische Vorgänge eine wichtige Rolle, weshalb dieser oft gemessen wird.


Messungen
Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich Durchflussmessungen für pH, Partialdruck vom CO2 und Alkalinität mache. Wer eben aufgepasst hat, merkt vielleicht, dass das System damit überbestimmt ist. Ich könnte zum Beispiel den pH-Wert einfach aus dem Partialdruck und der Alkalinität berechnen und bräuchte ihn gar nicht zu messen. Aber mehr messen ist natürlich besser, sodass man zum Beispiel auch kontrollieren kann, ob die Ergebnisse zusammenpassen.

Auf die Messverfahren selber möchte ich an dieser Stelle nicht detailliert eingehen, sonst wird das hier etwas lang. Die meisten Sensoren, die ich hier betreue, sind kommerziell und laufen nach ggf. einer Kalibrierung zu Beginn weitestgehend selbstständig. Ich kontrolliere nur von Zeit zu Zeit, ob alles noch funktioniert und die Werte im erwarteten Bereich sind. Als einziges braucht das Instrument zur Alkalinitätsmessung mehr Aufmerksamkeit, weil es noch nicht so weit in der Entwicklung ist. Da kontrolliere ich regelmäßig, dass sich in den Schläuchen keine Blasen befinden, alle Reagenzien ausreichend vorhanden sind und die Werte noch stimmen. Falls die Werte irgendwann zu sehr abweichen oder schwanken sollten, müsste ich zum Beispiel genauer nach Blasen gucken oder die Kalibrierung wiederholen.

Das alles ist natürlich nicht selbsterklärend, und deshalb war ich im Januar als Vorbereitung in Kiel am GEOMAR. Dort wurde mir gezeigt, wie die Messungen funktionieren, worauf ich achten muss und wie ich die Daten exportieren/speichern kann. Mit jetzt neun Stunden Zeitverschiebung nach Deutschland ist der Zeitraum, in dem man Rückfragen stellen und auch direkt Antworten kriegt, ja auch etwas begrenzt.

Mit meinen Notizen aus dem Januar habe ich hier dann alles aufgebaut und in Betrieb genommen. Es ist natürlich etwas ganz anderes, wenn man dann alleine in einer anderen Umgebung davorsteht und alles laufen muss. Das meiste hat auch erstaunlich gut geklappt. Besonders überrascht hat mich, dass die Alkalinitätsmessungen ganz gut laufen. Mit den ganzen Schläuchen und potenziellen Problemen (ich habe einen Haufen Ersatzteile mitbekommen) hatte ich eher damit gerechnet, dass irgendwas daran dann nicht will.

 

Messungen auf dem Schiff
Messungen auf dem Schiff. Das Wasser läuft aus dem Schlauch, der von oben kommt, ins Waschbecken und durch den Stöpsel dann wieder raus. So entsteht ein ständiger Wasseraustausch und die Geräte können jeweils die aktuellen Werte messen, ohne dass sie außen am Schiff fest sein müssen. Die Holzplatte dient dazu, den Austausch mit der Luft etwas zu verringern. Zusätzlich zu den oben erwähnten Messungen (grün) sieht man auch noch einen Nitratsensor und einen weiteren pH-Sensor (braun), der aber noch nicht so ganz funktionieren möchte. Übrigens hat das Wasser etwa 28 °C, darin rum „plantschen“ ist also recht angenehm.(Foto: Rieke Schäfer)


Eigentlich wollten wir mit zwei Verfahren pH messen, der eine Sensor macht aber immer noch Probleme … Da fühlt man sich dann so ein bisschen wie auf einer Raumstation, man funkt seine Probleme zu „Basisstation“ und kriegt Anleitungen zurück, was man probieren soll. Trotz diverser Versuche und Rücksprache mit verschiedenen Personen will er aber einfach nichts machen, wenn man den Strom anschließt. Die Leute hier haben zwar viel Erfahrung damit, alles Mögliche zu reparieren, aber wenn man nicht mal wirklich herauskriegt, wo das Problem ist, nützt das ja auch nicht viel. Leider ist Salzwasser halt eine sehr ungünstige Umgebung für alles Elektronische und es kommt dann ja doch immer wieder irgendwohin, wo es nicht hin sollte.


Problemkind-Sensor
„Sorgenkind“: trotz viel Mühe mag er einfach nicht messen. Im Bild oben sieht man vorne links noch, wo im Aufbau extra Platz für ihn ist. Insgesamt haben wir also drei pH-Sensoren: einer geht, einer misst unzuverlässig und einer will gar nicht. (Foto: Rieke Schäfer)


Sooo, ich hoffe, das war jetzt nicht zu erschlagend. Zum Abschluss noch ein paar Bilder als Belohnung für alle, die durchgehalten haben:

Schiffsbug und davor viel Wasser

Abendlicht überm Pazifik

Abendlicher Blick über Schiffsbug und Pazifik
Gaaaanz viel Wasser (Fotos: Rieke Schäfer)


Sterne überm Pazifik
Die Sterne sind leider etwas schwierig zu fotografieren. So ein schwankendes Schiff bildet da nicht die beste Grundlage. (Foto: Rieke Schäfer)



Weiterführends Lesematerial
Falls jemand jetzt mehr Details zu den erwähnten Größen und Konzepten wissen möchte:

Beispielsweise:

  • „Aquatic Chemistry Concepts“ von James F. Pankow (1991)
  • “Aquatic Chemistry – Chemical Equilibria and Rates in Natural Waters” von Werner Stumm und James J. Morgan (1996)
  • “Chemical Oceanography” von Frank J. Millero (2013)



Hier bloggt PTB-Doktorandin Opens local program for sending emailRieke Schäfer von ihrer Reise mit dem Forschungsschiff "Sonne", unterwegs westlich von Südamerika auf dem Pazifik.