17. April 2023
Unsere momentane Position, während ich schreibe (Kartendaten von ggplot2)
Bordleben
Wenn man an Bord kommt, ist die Orientierung auf dem Schiff erstmal echt nicht einfach. Gefühlt sieht alles gleich aus, und dazu kommt noch, dass es verwinkelt ist und es immer verschiedene Wege gibt. Wegweiser oder ähnliches gibt es gar nicht, nur Fluchtwegbeschilderung. Zum Glück haben die Decks unterschiedliche Fußboden- und Türenfarben, dass hilft zumindest etwas. Am Freitag hatten wir um 8.00 Uhr dann eine Sicherheitseinweisung mit anschließender Führung zu den wichtigsten Räumen. Das war auch sehr hilfreich, am Donnerstag war man doch zum Teil etwas verloren gewesen.
Alle Korridore sehen recht ähnlich aus. Zum Glück haben die verschiedenen Decks unterschiedliche Farben, und jede Tür hat ein Schildchen, was dahinter ist (selbst wenn es „Gang“ ist).
Außerdem gibt es einige Regeln, die man beachten muss, und viele Infos, die erfahrenen „Seebären“ jedoch ganz selbstverständlich sind. Die Regeln haben zum Großteil mit Sicherheit zu tun: nicht laufen oder hüpfen, immer eine Hand zum Festhalten frei haben oder in welchen Bereichen Sicherheitsschuhe getragen werden müssen. Viele weitere Sachen sind einfach Erfahrung, zum Beispiel dass man die Toilettenspülung sehr schnell drücken muss, dass man zum Essen keine (schmutzige) Arbeitsbekleidung tragen soll, wie welcher Bereich vom Schiff heißt (zum Beispiel heißen die Kabinen „Kammern“) und so weiter.
Wie bereits erwähnt, hatte sich unsere Abfahrt immer weiter verzögert. Generell ist es so, dass die geplante Abfahrt an einer Tafel nahe der Gangway aufgeschrieben wird. Darunter steht dann, bis wann man spätestens wieder an Bord sein muss, wenn man mitfahren will (zwei Stunden vorher).
Damit für den Ernstfall wirklich alle wissen, wie es abläuft, gab es zusätzlich zur Sicherheitseinweisung auch ein Sicherheitsmanöver. Dabei wurde (vorher angekündigt) zur Probe der Generalarm ausgelöst, und alle mussten mit entsprechender Bekleidung und Schwimmwesten am Sammelplatz erscheinen. Dort wurde dann auf Vollständigkeit kontrolliert und noch die Aufteilung auf die beiden Rettungsboote getestet. Die "Sonne" hat zwei Rettungsboote und acht Rettungsinseln dabei. In jedes Rettungsboot würden wir zur Not alle reinpassen, dann ist es allerdings sehr „kuschelig“.
Rettungsboot. Wir haben zwei davon dabei, und zur Not passen alle 80 Leute in eines hinein.
Boot zur Bergung, sollte jemand über Bord gehen
Das Wetter ist bisher zum Glück gut und ruhig. Das Schiff schwankt nur leicht und es lässt sich entsprechend ganz gut arbeiten. Warm ist es immer noch. Laut Schiffssystem haben wir tagsüber etwa 27 °C Luft- und 28,5 °C Wassertemperatur. Aber zumindest ist hier jetzt auch ein wenig Wind (2 m/s), was die Hitze etwas erträglicher macht.
Ich habe bisher keine Meerestiere gesehen, nur ein paar Vögel, die ums Schiff kreisen. Aber ein paar der anderen haben anscheinend Schildkröten, Wale und eine Robbe gesehen. Mein Labor liegt leider im Bug, etwas abgeschieden und ohne Fenster, aber ich hoffe, dass sich irgendwann auch noch mal Tiere blicken lassen, wenn ich oben bin.
Was ich Freitagabend auch nicht mitbekommen habe, weil ich schon im Bett war: Irgendwann durfte man nicht mehr raus, weil Containerschiffe von Piraten angegriffen wurden. Anscheinend ist das Gebiet vor Ecuador Piratengebiet.
Wissenschaft
Am Donnerstag ging’s ziemlich direkt mit dem Auspacken der Container los, keine Einführung, was wir tun oder in das Schiff, direkt erstmal Kisten schleppen. Und das waren reichlich Kisten, was bei dreißig Grad und Sonnenschein ziemlich anstrengend ist. Wie im ersten Beitrag bereits berichtet, bringt nämlich jede Gruppe ihre ganze Ausrüstung mit. Dabei verwandeln sich dann kahle Laborräume in voll ausgestattete Labore, mit genau dem, was man braucht (wenn man an alles gedacht hat).
Leeres Labor. So sieht das Labor aus, wenn man ankommt, dann werden Kisten hineingeschleppt und alles hergerichtet.
Am Freitag wurde weiter ausgeräumt und aufgebaut und wir haben dann leere Kisten wieder zurück in die Container gebracht, damit sie auf See nicht drinnen durch die Gegend fliegen. Außerdem gab es abends noch ein „science meeting“, wo der Plan für die erste Messstation besprochen wurde: wann die voraussichtlich sein wird, wer was macht/braucht und so weiter.
Die erste Station war eigentlich für Samstagmorgen 6.00 Uhr geplant, tatsächlich hat es sich aber auf 8.00 Uhr verzögert. Die erste CTD-Rosette (eine Sonde für Tiefseeuntersuchungen) lief recht problemlos, nachdem alle sich orientiert hatten, wer was machen muss. Bei der zweiten wollten leider alles Mögliche nicht, zum einen war eine Pumpe trocken gelaufen und musste erstmal wieder befeuchtet werden, und außerdem wollte der Kranz zum Schließen der Niskin-Flaschen nicht. Daher wurde auf die CTD an der Station dann verzichtet. Jetzt fragt man sich wahrscheinlich, warum überhaupt zwei CTDs … Eine von den CTDs ist Spurenmetall-frei, sie ist aus Titan gefertigt und wird genutzt, um Proben für Untersuchungen zu Spurenmetallen zu nehmen. Die zweite CTD ist normal aus rostfreiem Stahl und wird für Proben genutzt, die nicht durch Spurenmetalle beeinflusst werden. Bei dem Ganzen ist die CTD an sich übrigens ein verhältnismäßig kleiner Teil des ganzen Apparates, aber oft wird alles zusammenfassend (CTD, Niskin-Flaschen, alle weiteren Sensoren) auch als CTD bezeichnet. Dazu später noch mehr.
Die weiteren Stationen bisher verliefen dann besser. Allerdings lagen sie zum Teil zeitlich sehr unangenehm, zum Beispiel hat eine nachts um 2.30 Uhr begonnen … Da muss man zusehen, dass man zwischendurch noch irgendwann ein bisschen Schlaf kriegt.
Im „Inneren“ der Rosette sind jede Menge Messgeräte angebracht.
An unserer ersten Messstation habe ich übrigens noch einen Schmetterling übers Schiff flattern sehen. Ich hoffe, er hat den Weg nach Hause gefunden. Ein bisschen konnte man noch Berge am Horizont erahnen. Auch werden wir häufig von Vögel begleitet.
Samstag und Sonntag habe ich hauptsächlich damit verbracht, die Sensoren bei mir im Labor aufzubauen. Ich messe dauerhaft direkt an der Wasseroberfläche. Das Schiff pumpt dauerhaft Meerwasser, dass für Messungen genutzt werden kann. Von diesem Wasser werden immer Temperatur und Salinität gemessen, danach fließt das Wasser bei mir ins Waschbecken und ich messe pH, Alkalinität, pCO2 (CO2-Partialdruck) und Nitrat (wenn alle Sensoren funktionieren …). Wie auch in allen anderen Laboren musste ich mich erstmal einrichten, die Sensoren aufbauen und alles starten. Und dabei stößt man natürlich immer wieder auf diverse Probleme, im Grunde hat nur der Sensor für pCO2 reibungslos geklappt. Der Nitratsensor läuft eigentlich auch gut, allerdings muss ich mir das Kabel mit dem zweiten Sensor, der an der CTD ist, teilen und deshalb laufen wir da bei jeder Messstation mit dem Kabel hin und her. Mittlerweile haben wir aber einen ganz guten Rhythmus gefunden, sodass es ganz gut läuft.
Mein Laborbereich, bevor ich angefangen habe aufzubauen. Ein etwas undankbarer Platz, weil es recht laut ist und es keine Fenster gibt. Außerdem ist die Treppe recht steil.
Erstmal alles ausgepackt und festgemacht.
Zum Messen musste alles etwas umgeräumt werden. Eric (mein Doktorvater) hat mir dann am Sonntag noch eine Abdeckung für das Waschbecken gebastelt, damit wir weniger CO2-Austausch mit der Luft haben.
Eigentlich sollte ich mit zwei verschiedenen Sensoren pH messen. Einer von den beiden will aber so gar keine Verbindung zum Computer aufbauen. Mittlerweile haben wir alles Einfache durchgetestet und zum Sensor erfahrenere Leute gefragt. Allgemeiner Konsens ist, dass es vermutlich am Kabel liegt. Wenn also alle größeren Probleme gelöst sind, wird der Bord-Elektriker sich das mal anschauen. Der zweite pH-Sensor hat am Anfang auch etwas Probleme gemacht, das ließ sich aber zum Glück mit einem neuen Sensor-Kopf beheben.
Das „Sorgenkind“. Der pH-Sensor will nicht mit dem Computer kommunizieren.
Das Gerät zur Durchflussmessung von Alkalinität ist eigentlich das komplexeste, was ich aufbauen muss, weil die Entwicklung noch nicht so weit ist, die anderen vier sind kommerziell erhältlich. Also habe ich am Sonntag meine Liste abgearbeitet, was ich alles machen muss, um den zum Laufen zu bekommen. Das Ganze dauert zwar eine Weile, aber scheint soweit erstmal geklappt zu haben.
Und alles noch festgezurrt. Der weiße Kasten vor dem Waschbecken misst Alkalinität und braucht zusätzlich noch Reagenzien aus den Kanistern dahinter.
Bis auf unser Sorgenkind ist jetzt also alles aufgebaut und misst brav. Das ist auch ganz gut so, denn damit und mit Messstationen, die momentan immer tagsüber sind, kriegt man dann ein wenig mehr Ruhe (wobei im Dunkeln auf Station liegen auch nett ist, man kann im Scheinwerferlicht die Fische und Vögel ganz gut beobachten). Die letzten Tage waren lang und so vollgestopft, dass man auch irgendwie total das Zeitgefühl verliert.