Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
Mit Metrologie in die Zukunft - Herausforderung Digitalisierung

Kompetenzzentrum VirtMet: Metrologie für virtuelle Messgeräte

Im Zuge der Digitalisierung nimmt die Bedeutung von mathematisch-physikalischen Simulationen und in silico Experimenten rasant zu. Wenn mit solchen Simulationen reale Messeinrichtungen und Messungen nachempfunden werden, so kann man dies als „virtuelles Messgerät“, bzw. als „virtuelle Messung“ bezeichnen. In vielen Bereichen sind diese inzwischen im alltäglichen Einsatz. So dienen beispielsweise Simulationen dazu, ein besseres Verständnis für das reale Experiment zu erhalten, neue Versuche zu planen oder bestehende Versuche auszuwerten. Inzwischen werden auch vermehrt Simulationen als essentieller Bestandteil einer realen Messung verwendet, in der Regel als Bestandteil eines inversen Problems.

In dieser Entwicklung ist die Aufgabe der Metrologie die Sicherung von Vertrauen in Simulationsergebnisse, wenn diese in derselben Weise wie reale Messungen verwendet werden sollen. 

Download Initiates file downloadVirtMet Whitepaper

Ausrichtung des PTB-Kompetenzzentrums

Bereits existierende Beispiele an der PTB für virtuelle Messgeräte sind unter anderem das Opens internal link in current windowTilted-Wave Interferometer oder das Opens internal link in current windowVirtuelle Koordinatenmessgerät.

In einem von der PTB organisierten nationalen Workshop Opens internal link in current windowMetrologie für virtuelle Messgeräte im März 2018 wurden für diese und andere Anwendungsbeispiele folgende übergeordnete Fragestellungen und Querschnittsaufgaben identifiziert:

  1. Wie sichert man Vertrauen in Simulationsergebnisse?
  2. Wie stellt man Vergleichbarkeit von virtuellen und realen Messungen her?
  3. Welche Standards für Schnittstellen, Metadaten und Datenformate sind notwendig?
  4. Wie können virtuelle Experimente für komplexe Messsysteme mit großen Datenmengen mit Hilfe von Methoden des maschinellen Lernens behandelt werden?

Die Behandlung dieser Fragestellungen durch die PTB erfordert eine kontinuierliche und intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit. Aus diesem Grund wurde das PTB-Kompetenzzentrum „Metrologie für virtuelle Messgeräte“ eingerichtet, in welchem die vorhandene Expertise gebündelt und der interdisziplinäre Austausch kontinuierlich vorangetrieben wird. Das Kompetenzzentrum wird darüber hinaus mit regelmäßigen Workshops den Austausch und die Kooperation mit externen Partnern in diesem Bereich weiter stärken. 

Ausgehend von konkreten Arbeitspunkten werden die übergeordneten Fragestellungen in abteilungsübergreifenden Vorhaben bearbeitet werden. Durch die Einbettung der Vorhaben in das Kompetenzzentrum wird es einen intensiven und regelmäßigen Austausch aller Beteiligten geben, um Synergieeffekte nutzbar zu machen und eine gemeinsame Strategie zu verfolgen.

Konkrete Projekte in VirtMet

Übertragung des VCMM-Konzepts auf andere Bereiche und zur Nutzung in Metrological Digital Twins

Die in der PTB entwickelte VCMM (Opens internal link in current windowVirtual Coordinate Measuring Machine) wird im Bereich der Koordinatenmesstechnik seit vielen Jahren sehr erfolgreich zur prozessbegleitenden Messunsicherheitsermittlung und Messprozessoptimierung in Wissenschaft und Wirtschaft eingesetzt. Das etablierte und im Jahr 2005 mit dem Braunschweiger IHK-Technologietransferpreis ausgezeichnete PTB-Verfahren erfüllt die Anforderungen internationaler Richtlinien und Normen. Eine Übertragung auf andere messtechnische Bereiche ist wegen des komplexen Aufbaus und der zeitaufwändigen Programmierung erforderlicher Softwaremodule bisher kaum erfolgt und soll nun im Rahmen von VirtMess vorangetrieben werden.

Opens internal link in current window[Mehr]

Tilted-Wave Interferometer (TWI) als Beispiel für Hand-in-Hand-Kalibrierung von realem und virtuellem Experiment

Die optische Industrie setzt in modernen optischen System Asphären und Freiformflächen ein, die allerdings sehr hohe Anforderungen an die Metrologie stellen. Optische Messtechniken haben dabei eine prominente Rolle, da sie die Messobjekte nicht beschädigen. Die Industrie benötigt dringend eine Rückführung in der optischen Asphären-/Freiformflächenmetrologie, die zurzeit noch nicht verfügbar ist. Im Rahmen der Asphären- und Freiformmetrologie-Entwicklung auf internationaler Ebene ist daher mit weiteren Forschungsprojekten zu rechnen.

Opens internal link in current window[Mehr]

Entwicklung eines virtuellen Durchflussmessgeräts

Ziel dieses Vorhabens ist es, numerische Strömungssimulationen als verlässliches und praktikables Werkzeug für die Kalibrierung sowie Unsicherheitsbestimmung von Durchflussmessgeräten (DFM) zu etablieren. Wichtige Arbeitsinhalte sind dabei CFD-Simulationen, um verschiedene Strömungskonfigurationen zu simulieren und deren Auswirkungen auf die Messgeräte zu analysieren. Die Möglichkeit Durchflussmessgeräte mit Hilfe von Simulationen virtuell mit deutlich höherer Genauigkeit beurteilen zu können, würde nicht nur die aktuellen Forschungskooperationen festigen, sondern weitere Projektpartnerschaften ermöglichen. Mittels der beschriebenen Entwicklung wäre es für Hersteller wesentlich günstiger, Messgeräte neu zu entwickeln und bestehende Messgeräte weiter zu verbessern.

Opens internal link in current window[Mehr]

Scatterometrie als Beispiel für inverse Probleme in der Metrologie

Unsere moderne Gesellschaft wird maßgeblich durch die Leistungsfähigkeit und Miniaturisierung von Mikrochips beeinflusst. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Komplexität integrierter Schaltkreise im Verhältnis zu den Komponentenkosten regelmäßig verdoppelt (mooresches Gesetz). An dieser Entwicklung hat auch die Metrologie in der Halbleiterfertigungstechnik einen Anteil. 

Bereits heute werden Strukturgrößen von unter 10 nm erreicht, was ganz besondere Anforderungen an deren Vermessung der Strukturen stellt, z.B. an die Qualitätskontrolle. Optische Streuverfahren, wie die Scatterometrie bieten ein schnelles, indirektes und präzises Messverfahren für die Bestimmung der Geometrieeigenschaften von nanostruktuierten Oberflächen.  Hierbei wird die Oberfläche mit Licht beleuchtet und die reflektierte Strahlungsintensität gemessen. Aus dem Intensitätsmuster kann durch die Lösung eines inversen Problems die ursprüngliche Nanostruktur rekonstruiert werden. Für das Lösen des inversen Problems ist es notwendig den Messprozess so genau wie möglich zu simulieren, was einem virtuellen Experiment entspricht. 

Opens internal link in current window[Mehr]

Publikationen

  1. L. Hoffmann and C. Elster. Deep neural networks for computational optical form measurements. Journal of Sensors and Sensor Systems, 9(2):301–307(2020). Opens external link in new windowhttps://doi.org/10.5194/jsss-9-301-2020
  2. A. Khanin, M. Anton, M. Reginatto, and C. Elster, “Opens external link in new windowAssessment of CT image quality using a Bayesian framework”, submitted to IEEE Trans Med Imaging. 
  3. M. Anton, A. Khanin, T. Kretz, M. Reginatto, and C. Elster, “Opens external link in new windowA simple parametric model observer for quality assurance in computer tomography”, PhysMedBiol, 2018.
  4. M. Reginatto, M. Anton, and C. Elster, “AOpens external link in new windowssessment of CT image quality using a Bayesian approach,” Metrologia, 2017.
  5. I. Fortmeier, M. Stavridis, A. Wiegmann, M. Schulz, W. Osten, and C. Elster, “Opens external link in new windowEvaluation of absolute form measurements using a tilted-wave interferometer”, Opt. Express 24, 3393-3404 (2016). 
  6. I. Fortmeier, M. Stavridis, A. Wiegmann, M. Schulz, W. Osten, and C. Elster, "Opens external link in new windowAnalytical Jacobian and its application to tilted-wave interferometry," Opt. Express 22, 21313-21325 (2014).
  7. I. Fortmeier, „Opens external link in new windowZur Optimierung von Auswerteverfahren für Tilted-Wave Interferometer”, Dissertation, Universität Stuttgart, 2016
  8. A. Weissenbrunner, A. Fiebach, S. Schmelter, M. Bär, P. Thamsen und T. Lederer. "Opens external link in new windowSimulation-based determination of systematic errors of flow meters due to uncertain inflow conditions". Flow Measurement and Instrumentation, 52:25 – 39, 2016.
  9. S. Schmelter, A. Fiebach und A. Weissenbrunner. "Opens external link in new windowPolynomchaos zur Unsicherheitsquantifizierung in Strömungssimulationen für metrologische Anwendungen". tm-Technisches Messen, 83(2): 71-76, 2016.
  10. A. Weissenbrunner, A. Fiebach, M. Juling und P. U. Thamsen. "Opens external link in new windowA coupled numerical and laser optical method for on-site calibration of flow meters". Eccomas Proceedia UNCECOMP, 5393: 576-587, 2017.
  11. M. Straka, A. Fiebach, T. Eichler und C. Koglin. "Opens external link in new windowHybrid simulation of a segmental orifice plate. Flow Measurement and Instrumentation" ISSN 0955-5986
  12. S. Schmelter, A. Fiebach, R. Model und M. Bär. "Opens external link in new windowNumerical prediction of the influence of uncertain inflow conditions in pipes by polynomial chaos". Int. J. Comp. Fluid. Dyn., 29(6-8):411-422, 2015.
  13. N. Farchmin, M. Hammerschmidt, P.-I. Schneider, M. Wurm, B. Bodermann, M. Bär and S. Heidenreich, Efficient Bayesian inversion for shape reconstruction of lithography masks, J. Micro/Nanolithography, MEMS and MOEMS, 19(2), 024001 (2020). Opens external link in new windowhttps://doi.org/10.1117/1.JMM.19.2.024001
  14. M. Casfor Zapata, N. Farchmin, M. Pflüger, K. Nikolaev, V. Soltwisch, S. Heidenreich, C. Laubis, M. Kolbe and F. Scholze. SPIE Advanced Lithography 113251D (2020). Opens external link in new windowhttps://doi.org/10.1117/12.2552037 
  15. S. Heidenreich, H. Gross and M. Bär, Bayesian approach to determine critical dimensions from scatterometric measurements. Metrologia 55(6) (2018). Opens external link in new windowhttps://doi.org/10.1088/1681-7575/aae41c