Graphen mit Aroma
Im Unterschied zu üblichen Methoden, bei denen das Graphen z. B. durch Abscheiden von Kohlenstoffatomen aus der Gasphase oder durch thermische Graphitierung von Siliciumcarbid hergestellt wird, wählten die Wissenschaftler in dieser Arbeit aromatische Moleküle als Ausgangspunkt. Als Substrate kamen dabei sowohl Kupfer-Einkristalle als auch preiswerte polykristalline Kupferfolien zum Einsatz. Durch Bestrahlung mit niederenergetischen Elektronen und nachfolgendes thermisches Ausheilen gelang es dann, eine auf der Kupferoberfläche abgeschiedene selbst-organisierte Einzellage des Moleküls Biphenylthiol in Graphen umzuwandeln.
Für die Untersuchung der chemischen und physikalischen Eigenschaften des so erzeugten Graphens kamen verschiedene Charakterisierungsmethoden der Universitäten Ulm und Bielefeld sowie der PTB zum Einsatz, nämlich die Raster-Tunnelmikroskopie, die Transmissionselektronenmikroskopie, die Ramanspektroskopie sowie elektrische Transportmessungen bei tiefen Temperaturen und hohen Magnetfeldern. All diese Messungen bestätigten, dass aus dem aromatischen Molekül wirklich Graphen von hervorragender kristalliner und elektronischer Qualität entstanden war.
Durch die Flexibilität der Elektronenbestrahlung, die sowohl großflächig als auch mit hervorragender Ortsauflösung an kleinen wohldefinierten Stellen möglich ist, lassen sich nun Graphenstrukturen mit prinzipiell beliebiger Form erzeugen, z. B. Quantenpunkte, Nanostreifen oder andere Nano-Geometrien mit spezifischer Funktionalität. Durch die Wahl der Temperatur beim thermischen Umwandlungsschritt können auch der Grad der Kristallinität und die davon abhängenden Eigenschaften des Graphens eingestellt werden.
Weitere Vorteile entstehen durch die Vielseitigkeit der Methode der selbst-organisierten Beschichtung. Man kann sie mit unterschiedlichen aromatischen Molekülen durchführen, die z. B. auch Dotieratome zur elektronischen Dotierung des Endprodukts enthalten könnten. In Mehrfachlagen aufgebracht, könnte man sogenannte Bilagen- oder Multilagen-Graphene erzeugen, deren geänderte elektronische Bandstruktur die Anwendungsmöglichkeiten von Einzellagen-Graphen erweitert. Ebenso könnten andere Substrate als das hier verwendete Kupfer (etwa andere Metalle, Halbleiter, Isolatoren) genutzt werden. Darüber hinaus sollte auch die Erzeugung von Graphen auf beliebigen 3D-Oberflächen möglich sein, da molekulare Selbstorganisation auch auf gekrümmten Flächen stattfindet. Die neue Herstellungsmethode erweitert die Perspektiven zur besseren Nutzung des ‚Wundermaterials' auf so eindrucksvolle Art, dass die entsprechende Veröffentlichung auf dem Umschlagsblatt in der Augustausgabe der Zeitschrift Advanced Materials hervorgehoben wurde.
Ansprechpartner
Franz Josef Ahlers,
PTB-Fachbereich 2.6 Elektrische Quantenmetrologie,
Telefon (0531) 592-2600,
franz.ahlers(at)ptb.de
PD Dr. Andrey Turchanin, Universität Bielefeld, Fakultät für Physik, Physik supramolekularer Systeme und Oberflächen, Bielefeld Insitute for Biophysics and Nanoscience (BINAS),
Universitätsstr. 25,
33615 Bielefeld,
Telefon: (0521) 106-5376,
turchanin(at)physik.uni-bielefeld.de
Die Originalveröffentlichung
D. G. Matei, N.-E. Weber, S. Kurasch, S. Wundrack, M. Woszczyna, M. Grothe, T. Weimann, F.-J. Ahlers, R. Stosch, U. Kaiser, A. Turchanin: Functional single-layer graphene sheets from aromatic monolayers. Advanced Materials, 25 (2013), 30, 4146-4151,
dx.doi.org/10.1002/adma.201300651 [article], dx.doi.org/10.1002/adma.201370195 [frontispiece]; Wiley-VCH. ISSN 1521-4095