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Druck mal anders

Neue Methode zur kapazitiven Druckmessung auf höchstem Niveau

PTBnews 1.2020
25.02.2020
Besonders interessant für

physikalisch-chemische Grundlagenforschung

Atomphysik

hochgenaue Druckmessungen

Im Rahmen der Arbeiten zur Neudefinition der Basiseinheit Kelvin wurde in der PTB eine neue Methode zur Druckmessung entwickelt, die auf der Kapazitätsmessung von Heliumgas beruht. Schon im ersten Anlauf war sie fast genauso gut wie die weltweit beste Methode zur Druckmessung mit einem Kolbenmanomter.

Links: klassische Druckmessung mit dem Kolbenmanometer gemäß pPB = Fg/Aeff (PB: pressure balance, also Kolbenmanometer; g: Gravitationskraft; Aeff: effektive Fläche eines Kolben-Zylinder-Systems). Rechts: der neue elektrische Ansatz: Die durch das Messgas hervorgerufene relative Änderung der Kapazität C(T) bei einer bekannten Temperatur T, die mit einem kalibrierten Widerstandsthermometer R(T) ermittelt wird, lässt sich direkt mit dem Gasdruck verknüpfen. In die nötigen Ab-initio-Berechnungen der Gaseigenschaften gehen die Dielektrizitätskonstante und die Interaktion der Gasteilchen ein: pab-initio(C,T, Gasab-initio)

Druck ist das Ergebnis einer senkrecht auf eine Fläche wirkende Kraft. Nach diesem Prinzip arbeiten auch heute noch die genauesten Druckmessungen, bei der man den Gasdruck unter einem Kolben bestimmter Fläche über den Massebelag, also über die Gewichtskraft einstellt. Parallel dazu gibt es schon länger Bestrebungen, andere hochgenaue Methoden zu entwickeln, Im Jahr 1998 hat Mike Moldover am amerikanischen Metrologieinstitut NIST die Idee formuliert, den Druck über eine elektrische Messung (Kapazitätsmessung) unter Verwendung theoretischer Berechnungen der Gaseigenschaften von Helium zu messen. Die Realisierung dieser bahnbrechenden Idee erwies sich allerdings in den Folgejahren als große Herausforderung. Sowohl die Präzisionskapazitätsmessung als auch die notwendigen hochstabilen Kondensatoren sowie die theoretischen Berechnungen unter alleiniger Verwendung von Naturkonstanten (Ab-initio-Berechnungen) waren noch nicht mit der notwendigen Genauigkeit zugänglich waren. Darüber hinaus fehlte auch noch eine ausreichend gute Vergleichsmöglichkeit mit klassischen Kolbenmanometern.

Die experimentellen Hürden wurden im Laufe der letzten zehn Jahre an der PTB aus dem Weg geräumt. Durch die Arbeiten im Rahmen der Neudefinition der Basiseinheit Kelvin wurden sowohl die klassische Druckmessung mit Kolbenmanometern als auch die Kapazitätsmessung auf weltweit einzigartiges Niveau gehoben. Mit den neuesten theoretischen Berechnungen verschiedener Gruppen weltweit ist es nun erstmals gelungen, den Druck von sieben Millionen Pascal, d. h. den siebzigfachen Normaldruck, mit einer relativen Unsicherheit von weniger als fünf Millionstel zu messen. Diese Unsicherheit wurde durch den Vergleich mit dem klassischen Kolbenmanometer bestätigt. Damit wurde zum ersten Mal solch ein Vergleich „auf Augenhöhe“ zwischen mechanischer und elektrischer Druckmessung durchgeführt.

Damit steht eine zweite Methode zur hochgenauen Druckkalibrierung zur Verfügung. Die Methode und der direkte Vergleich zum klassischen Drucknormal bieten zum einen die Möglichkeit, theoretische Berechnungen von Helium, einem wichtigen Modellsystem in der Atomphysik, zu überprüfen. Darüber hinaus können auch andere Gase vermessen werden und somit sowohl die Theorie als auch die Gasmetrologie weiterentwickelt werden.

Ansprechpartner

Christof Gaiser
Fachbereich 7.4 Temperatur
Telefon: (030) 3481-7349
Opens window for sending emailchristof.gaiser(at)ptb.de

Wissenschaftliche Veröffentlichung

C. Gaiser, B. Fellmuth, W. Sabuga: Primary gas-pressure standard from electrical measurements and thermophysical ab initio calculations. Nature Physics (2019), DOI: 10.1038/s41567-019-0722-2