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Die PTR im Dritten Reich

PTR Pläne
Bild 1: Entwurf der für München geplanten neuen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (um 1933).

Das Projekt beschäftigt sich mit der Tätigkeit der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt im Dritten Reich und ihrer Stellung im nationalsozialistischen Wissenschafts- und Forschungssystem. Seit ihrer Gründung im Jahre 1887 war die PTR nicht nur die oberste metrologische Behörde Deutschlands, sondern auch eine der national wie international bedeutendsten Institutionen metrologischer und insbesondere physikalischer Forschung. Während des Dritten Reichs wurde die Reichsanstalt von zwei altgedienten und hochrangigen Anhängern des Nationalsozialismus geleitet – zwischen 1933 und 1939 vom Physiker und Nobelpreisträger Johannes Stark (1874-1957) und von 1939 bis 1945 durch den Hochfrequenzphysiker und Wissenschaftsmanager Abraham Esau (1884-1955). Obwohl auch in dieser Zeit im Fokus ihrer Tätigkeit die metrologische Forschung zur Sicherung des Einheitensystems stand, wurde die PTR unter der Präsidentschaft von Stark und Esau zunehmend in die NS-Forschungspolitik integriert. Die Aktivitäten vieler Abteilungen wurden auf Themen des Autarkie- und Aufrüstungsprogramms ausgerichtet, auch wurden dafür neue Laboratorien eingerichtet; andererseits verringerte sich der Anteil der physikalischen Grundlagenforschung, die in den Jahrzehnten zuvor zu den Stärken der PTR gehörte und die Reichsanstalt im Vergleich zu ihren internationalen Partnerinstituten ausgezeichnet hatte.

Das Projekt wird diesen Integrationsprozess in die nationalsozialistische Wissenschafts- und Forschungspolitik umfassend und detailliert dokumentieren sowie in den Kontext von zeitgenössischer Wissenschaft und Politik einbetten. Die Beschreibung der damaligen Forschungspraxis mit einem detaillierten Überblick zu den wichtigsten Forschungen, der Einrichtung neuer Forschungsabteilungen und der Umgestaltung des traditionellen Forschungsprofils wird so durch die Charakterisierung der spezifischen Rolle der PTR in der nationalsozialistischen Forschungspolitik und dem Machtgefüge des NS-Staates komplementiert – einschließlich einer Analyse der NSDAP-Mitgliedschaft der PTR-Mitarbeiter, der Entlassung jüdischer Mitarbeiter oder der Entwicklung von Budget und Mitarbeiterschaft. Dabei wird auch der Frage nach den Kontinuitäten und Diskontinuitäten der PTR-Geschichte nachgegangen und diese bis zur Neugründung der Nachfolgeeinrichtungen in den beiden deutschen Teilstaaten verfolgt.

Aufsätze zum ThemaAufsätze zum Thema

Dieter Hoffmann, Johannes Stark – eine Persönlichkeit im Spannungsfeld von wissenschaftlicher Forschung und faschistischer Ideologie. In: Philosophie und Naturwissenschaften in Vergangenheit und Gegenwart, Humboldt-Universität zu Berlin, Heft 22, Wissenschaft und Persönlichkeit, Berlin 1982, S. 90 ff. (Initiates file downloadDownload)

Dieter Hoffmann, Nationalsozialistische Gleichschaltung und Tendenzen militärtechnischer Forschungsorientierung an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt im Dritten Reich. In: Helmuth Albrecht (Hrsg.), Naturwissenschaft und Technik in der Geschichte, 25 Jahre Lehrstuhl für Geschichte der Naturwissenschaft und Technik am Historischen Institut der Universität Stuttgart, Stuttgart 1993, S. 121 ff. (Initiates file downloadDownload)

Dieter Hoffmann, Rüdiger Stutz, Grenzgänger der Wissenschaft: Abraham Esau als Industriephysiker, Universitätsrektor und Forschungsmanager. In: Uwe Hoßfeld, Jürgen John, Oliver Lemuth, Rüdiger Stutz (Hrsg.), Kämpferische Wissenschaft, Studien  zur Universität Jena im Nationalsozialismus, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien, 2003, S. 136 ff. (Initiates file downloadDownload)

Dieter Hoffmann, Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt im Dritten Reich. In: PTB-Mitteilungen 122 (2012) Heft 2, PTR/PTB: 125 Jahre metrologische Forschung, S. 30f (Initiates file downloadDownload).

Mark Walker, The Rise and Fall of an „Aryan“ Physicist, in: Nazi Science. Myth, Truth, and the German Atomic Bomb. 1995, S. 5 ff. (Initiates file downloadDownload)

Biographische Daten von Prof. Dr. Dieter Hoffmann

Dieter Hoffmann (2010)
Prof. Dr. Dieter Hoffmann im Jahre 2010.

Dieter Hoffmann (geb. 1948),

Studierte Physik, promovierte (1976) und habilitierte (1989) auf dem Gebiet der Wissenschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 1976 bis 1991 forschte er auf dem Gebiet der Wissenschaftsgeschichte an der Akademie der Wissenschaften der DDR und war danach u.a. Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung und Mitarbeiter der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Seit 1995 ist er Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte, ab 2014 im Ruhestand, und lehrte auch als apl. Professor an  der Humboldt-Universität zu Berlin.

2002 Wahl in die International Academy of the History of Science, 2010 in die Leopoldina, Nationale Akademie der Wissenschaften Halle und Auszeichnung mit der Ehrennadel der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.

Forschungsschwerpunkte sind die Physik- und Wissenschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere die wissenschaftshistorische Biographik und die Geschichte wissenschaftlicher Institutionen. Berlin als herausragendes Zentrum von Wissenschaft und Technik spielt dabei eine zentrale Rolle. Ein anderer Forschungsfokus sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wissenschaftlicher Forschung in totalitären Regimen, namentlich während des Dritten Reiches und in der DDR.

Opens external link in new windowMax Planck Institute for the History of Science


Buch-Publikationen (Auswahl):

  • Erwin Schrödinger. Leipzig 1984 (russisch 1987; japanisch 1989).
  • Robert Havemann: warum ich Stalinist war und Anti-Stalinist wurde. Texte und ein biographischer Essay. Hrsgb. DH, Hubert Laitko. Berlin 1990.
  • Studien und Dokumente zum Leben und Werk von Ernst Mach. Hrsgb. DH, Hubert  Laitko. Berlin 1991.
  • Operation Epsilon. Die Farm-Hall-Protokolle oder die Angst der Alliierten vor der deutschen Atombombe. Reinbeck 1993.
  • Naturwissenschaft und Technik in der DDR. Hrsgb. DH, Kristie Macrakis. Berlin 1997 (englisch 1999).
  • Physik im Nachkriegsdeutschland. Frankfurt am Main 2002.
  • Albert Einstein. Berlin 2005 (russisch 2009).
  • Einsteins Berlin. Weinheim 2006 (englisch 2013).
  • Physiker zwischen Autonomie und Anpassung. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im Dritten Reich. Hrsgb. DH, Mark Walker.  Weinheim 2007 (englisch 2011).
  • Max Planck. München 2008.
  • „Fremde“ Wissenschaftler im Dritten Reich. Die Debye-Affäre im Kontext. Hrsgb. DH und Mark Walker. Göttingen 2010.
  • Max Planck und die moderne Physik. Hrsgb. DH. Heidelberg 2010.
  • Hundert Jahre an der Schnittstelle von Chemie und Physik. Das Fritz-Haber Institut der Max-Planck-Gesellschaft zwischen 1911 und 2011. Berlin 2011 (mit B. Friedrich, J. James, Th. Steinhauser; deutsch und englisch).
  • Physik und Kalter Krieg. Herausgegeben von Christian Forstner und Dieter Hoffmann Vieweg Verlag Wiesbaden 2013
  • „Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“. Auf dem Weg zu einer Geschichte der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft. Herausgegeben von Dieter Hoffmann, Birgit Kolboske, Jürgen Renn. Edition Open Access Berlin 2014.
  • Carl Friedrich von Weizsäcker (1912-2007): Physik-Philosophie-Friedensforschung. Herausgegeben von Klaus Hentschel und Dieter Hoffmann. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2014.
  • Mitherausgeber der Lexika „Bedeutende Naturwissenschaftler“ (Heidelberg 2003) und „Wer war Wer in der DDR“ (Berlin 2010).