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Bestimmung langlebiger Radionuklide mittels Beschleunigermassenspektrometrie (AMS): Applikationen und metrologische Aspekte

Kolloquium der Abteilung 6

Die Bestimmung langlebiger Radionuklide (t1/2 = ~ka bis Ma) profitierte maßgeblich in den letzten Jahrzehnten von den technischen Entwicklungen auf dem Gebiet der hochsensitiven Beschleuniger-massenspektrometrie (accelerator mass spectrometry, AMS). Die AMS besitzt gegenüber der konventionellen Massenspektrometrie den Vorteil, dass sie Störsignale, hervorgerufen von Molekül-ionen oder Isobaren, effektiver unterdrücken kann. Typische Nachweisgrenzen liegen im Bereich von 10-15 (Radionuklid/stabiles Nuklid) bzw. 10Radionuklidatome oder 10-9 Bq.

Die Anwendungsfelder der Methode haben sich stark ausgeweitet: Die anfänglich bevorzugt untersuchten Proben aus der Kosmochemie, der Astrophysik und den Kernreaktionsdaten, werden zunehmend von Proben aus den Bereichen Strahlenschutz, Nuklearsicherheit, Nuklearentsorgung, Radioökologie, Phytologie, Ernährungswissenschaften, Toxikologie und Pharmakologie verdrängt. Die größte Bedeutung der angewandten AMS-Forschung liegt allerdings in den Geo- und Umweltwissenschaften. So können mit den kosmogen „in-situ“ produzierten Nukliden 10Be, 26Al und 36Cl relativ plötzlich auftretende prähistorische Ereignisse wie Vulkanausbrüche, Bergstürze, Tsunamis, Meteoriteneinschläge, Erdbeben und Gletscherbewegungen datiert werden. Anhand dieser Gletscherbewegungen und Untersuchungen an Eisbohrkernen können zudem Klimaveränderungen rekonstruiert werden.

Die Qualitätssicherung in der AMS (mit Ausnahme von 14C/12C) ist ein wichtiger, aber bisher leider vernachlässigter Aspekt. Wenige Ringversuche mit desaströsen Ergebnissen und das fast komplette Fehlen primärer Referenzmaterialien (mit Ausnahme von 41Ca/Ca) zeigen, dass die AMS zwar extrem nachweisempfindlich und oft auch präzise ist, aber momentan leider keine rückführbaren Daten liefert. Der Einsatz metrologisch rückgeführter Referenzmaterialien wäre allerdings für fast alle AMS-Applikationen wünschenswert und für wenige zwingend erforderlich.