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SI-Spitzenforschung: Uhren, Kilogramm und einzelne Elektronen

PTB-Kolloquium

Uhren

Optische Uhren mit lasergekühlten und in Fallen gespeicherten Atomen und Ionen bilden seit Jahren einen Arbeitsschwerpunkt im Themenbereich Zeit und Frequenz und im QUEST-Institut an der PTB. Genauigkeit und Stabilität dieser Uhren konnten um mehrere Größenordnungen verbessert werden. Wichtige Ergebnisse des vergangenen Jahres waren die Evaluation der Yb+-Uhr mit einer systematischen Unsicherheit von 3*10-18 und der erstmalige Vergleich zweier optischer Uhren über eine Faserverbindung zwischen Braunschweig und Paris. Die PTB verfügt wie nur wenige Laboratorien weltweit über ein Ensemble unterschiedlicher optischer Uhren, das es erlaubt, in Frequenzvergleichen zuverlässige Evaluationen im Unsicherheitsbereich unterhalb primärer Cäsiumuhren durchzuführen. Wissenschaftliche Anwendungen eröffnen sich dabei insbesondere bei Tests der Relativitätstheorie und der Suche nach neuer Physik.

 

Das neue Kilogramm

Im neuen Internationalen Einheitensystem (SI) wird die Einheit der Masse, das Kilogramm, nicht mehr auf einen Artefakt aus Platin-Iridium, sondern auf eine der sieben definierenden Konstanten zurückgeführt sein, zu denen u. a. die Planck-Konstante h und die Avogadro-Konstante NA gehören. 

 

Im Fokus stehen zurzeit die internationalen Bemühungen um eine möglichst genaue, konsistente Bestimmung von h bzw. NA als Voraussetzung für eine Neudefinition des Kilogramms. Die PTB ist einerseits in die Internationale Avogadro-Kooperation eingebunden, die arbeitsteilig die „silicon route“ zur Bestimmung von NA mit Kugeln aus hochreinem, isotopen-angereichertem Silizium verfolgt. Hierzu müssen der Gitterparameter von Silizium, die Isotopenzusammensetzung, der mittlere Durchmesser der Kugel, die Schichtdicke und chemische Zusammensetzung der Oberflächenschicht sowie die Masse der Kugel mit relativen Unsicherheiten von jeweils wenigen 10-9 gemessen werden, um das Ziel, eine relative Gesamtunsicherheit von 1×10-8 für die Bestimmung von NA, bis Ende 2016 zu erreichen. Andererseits hat die PTB in den letzten Jahren konsequent alle erforderlichen Teilexperimente aufgebaut, mit denen das neue Kilogramm nach der 2018 erwarteten Neudefinition mit einer relativen Unsicherheit von höchstens 2×10-8 realisiert und weitergegeben werden kann.

Im Vortrag wird über den aktuellen Stand der (Teil-)Experimente und die Vorbereitungen auf die Zeit nach der Neudefinition berichtet. Hierzu gehören auch die Herstellung neuer, höher angereicherter, chemisch noch reinerer Silizium-Einkristalle und der mechanische Bearbeitungs- und Polierprozess, mit dem hieraus nahezu perfekte Kugeln mit Rundheiten von 20 nm und besser hergestellt werden können. Für die praktische Weitergabe des neuen Kilogramms werden auch Siliziumkugeln mit natürlicher Isotopenzusammensetzung untersucht.

 

Einzelne Elektronen

Im neuen internationalen Einheitensystem (SI) wird die Elementarladung e als eine der sieben definierenden Konstanten festgelegt. Die direkte Darstellung der Basiseinheit Ampere im neuen SI erfolgt mit Quantenstromquellen, die einen mit einer Frequenz f getakteten Strom I einzelner Elektronen erzeugen: I = ef. Die Abteilung Elektrizität entwickelt eine sog. selbstreferenzierte Quantenstromquelle. Diese integrierte Quantenschaltung besteht aus in Serie geschalteten Halbleiter-Einzelelektronen-Stromquellen und metallischen Einzelelektronen-Detektoren hoher Bandbreite (sog. RF-SET-Detektoren). Mit den Detektoren werden die Fehlereignisse des Einzelelektronen-Transports bestimmt, die  aufgrund des stochastischen Charakters des Transportmechanismus unvermeidlich sind. Werden diese Fehler bei der Bestimmung des Stroms berücksichtigt, kann mit der Serienschaltung eine kleinere Unsicherheit erreicht werden als mit einer einzelnen Einzelelektronen-Stromquelle. Im Vortrag wird über den Entwicklungsstand der Halbleiter-Einzelelektronen-Stromquellen, der breitbandigen Einzelelektronen-Detektoren und der Integration aller Komponenten in einer selbstreferenzierten Quantenstromquelle berichtet. Ziel der Arbeiten ist die direkte Darstellung des neuen Amperes mit einer Unsicherheit, die geringer ist als die Unsicherheit der Amperedarstellung im heutigen SI.