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Präzisionsvergleich von ganzzahligem und fraktionalem Quanten-Hall-Effekt

Kategorien:
  • Grundlagen der Metrologie
28.11.2017

Beim Quanten-Hall-Effekt, einer der Säulen des "Neuen SI", wurde immer wieder mit höchster Genauigkeit überprüft, dass ein gemessener Widerstand nur von Naturkonstanten abhängt. Nun gelang dies erstmals auch in einem Material, bei dem nicht mehr Elektronen den Strom tragen, sondern ein Verbund aus magnetischen Flussquanten und Elektronen, sogenannte Komposit-Fermionen.

 

 

Mit dem Quanten-Hall-Effekt (QHE) kann ein elektrischer Widerstand auf die Werte des Planck‘schen Wirkungsquantums h und der Elementarladung e zurückgeführt werden. Zusammen mit dem Josephson-Effekt, der mittels supraleitender Schaltungen elektrische Spannungen auf h und e zurückführt, können dann nicht nur elektrische Einheiten auf diese Konstanten gestützt werden, sondern letztlich auch die Masseeinheit Kilogramm. Dies sind wesentliche Grundlagen des auf Fundamentalkonstanten basierenden zukünftigen revidierten SI-Systems. Die Theorie des QHE ist jedoch sehr komplex. Daher hat man immer wieder auch mit ausschließlich experimentellen Mitteln in verschiedensten Materialien überprüft, ob der gemessene Widerstand wirklich materialunabhängig, d.h. universell ist.


Erstmals gelang ein solcher Universalitätstest nun an der PTB auch mit einem Material, in dem der elektrische Strom nicht mehr von Elektronen getragen wird. Vielmehr sind es hier Teilchen, die als Verbünde aus magnetischen Flussquanten und Elektronen auftreten. Eine Halbleiterprobe mit diesen im englischen als "composite fermions" bezeichneten Verbundteilchen (die nur ein Drittel der Elementarladung mit sich führen) zeigt ähnlich wie Proben mit Elektronen einen quantisierten Hallwiderstand in bestimmten Magnetbereichen. Anders als sonst sind aber die Kehrwerte der quantisierten Widerstände nicht mehr proportional zu ganzen, sondern zu gebrochen-rationalen Zahlen, weshalb man die Effekte als ganzzahligen und fraktionalen QHE bezeichnet.


Um diesen Widerstand präzise zu messen, ist allerdings eine Reihe von Schwierigkeiten zu überwinden. Zum einen werden extrem reine Halbleiterproben benötigt, in denen sich dann auch nur bei sehr tiefen Temperaturen von einigen hundertstel Grad über dem absoluten Nullpunkt die besagten Verbundteilchen bilden. Weiterhin sind Magnetfelder erforderlich, die noch höher sind als beim ganzzahligen QHE. Diese experimentellen Voraussetzungen lassen sich jedoch schon seit Jahren schaffen. Viel kritischer ist die Begrenzung der zur Messung genutzten Stromstärke auf weniger als ein Hundertstel der üblichen: Zu hohe Ströme lassen die Komposit-Fermionen bei der Messung quasi dahinschmelzen, kleine Stromstärken führen aber zu großen Messunsicherheiten.


Für die Lösung dieses Problems war die Weiterentwicklung der elektrischen Präzisionsmessbrücken entscheidend: Mit neu entwickelten Stromquellen und einem neuen Nulldetektor sowie vielen Detailverbesserungen im gesamten Messaufbau können jetzt mit diesen Systemen, sogenannten Kryo-Stromkomparatoren (engl. Cryogenic Current Comparator, CCC), auch bei Stromstärken im Nanoamperebereich relative Messunsicherheiten im Bereich einiger 10-8 erreicht werden. Für den relativen Unterschied ganzzahliger und fraktionaler quantisierter Hall-Widerstände wurde, mit einem Vertrauensintervall von 95 %, ein Wert von (5,3 ± 6,3) ·10-8 gefunden.


Dieser Vergleich zwischen ganzzahligem und fraktionalem Quanten-Hall-Effekt hat die vermutete Universalität im Rahmen dieser geringen relativen Messunsicherheit somit bestätigt und die Grundlagen des "neuen SI" weiter untermauert. Die Ergebnisse werden demnächst in der Zeitschrift Metrologia erscheinen.

 

Grafische Darstellung QHE

Bild:
In bestimmten Magnetfeldbereichen führen fraktionaler (blaue Kurve) und ganzzahliger Quanten-Hall-Effekt (grüne Kurve) zu Widerstandswerten, die nur durch die Naturkonstanten h und e und durch ganze Zahlen gegeben sind. Das theoretisch vorhergesagte Verhältnis von 1:6 für die beiden durch Pfeile markierten Widerstände wurde nun erstmals mit einer Messunsicherheit im Bereich einiger 10-8 im Experiment bestätigt.

 

 

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