Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Polarisationseffekte bei reflektometrischen Messungen von Effektpigmenten

Kategorien:
  • Grundlagen der Metrologie
05.03.2017

Durch ihre ausgefallenen optischen Eigenschaften wie Glitzern oder einen winkelabhängigen Farbeindruck machen Effektpigmente jedes Objekt schnell zu einem „Hingucker“. Daher werden solche Pigmente in den verschiedensten Gebieten eingesetzt, z.B. für Kraftfahrzeugslackierungen, in der Druck- und Papierindustrie, für Kosmetika oder verschiedene Konsumgüter. Besonders reizvoll sind hierbei goniochromatische Effektpigmente, die je nach Beleuchtungs- und Beobachtungswinkel einen unterschiedlichen Farbeindruck erzeugen.

Genau diese Eigenschaft sorgt allerdings auch dafür, dass die Messung der Reflexionseigenschaften dieser Pigmente sehr aufwendig ist. Es müssen viele Geometrien bei unterschiedlichen Beleuchtungs- und Beobachtungswinkeln in einem großen Wellenlängenbereich gemessen werden. Dabei müssen auch „untypische“ Geometrien berücksichtigt werden, die z.B. einen extrem großen Beobachtungs- oder Beleuchtungswinkel zeigen (streifender Einfall) oder sogenannte out-of-plane Geometrien. Gerade bei solchen Geometrien können die Polarisationseigenschaften des reflektierten Lichts eine große Rolle spielen, daher müssen sie zur vollständigen Charakterisierung der Reflexionseigenschaften messtechnisch erfasst werden.


Zur Messung von diffus reflektierenden Proben wird das Robotergonioreflektometer der Arbeitsgruppe 4.24 genutzt, mit dem nahezu beliebige Geometrien und ein großer Wellenlängenbereich abgedeckt werden können. Zur Messung der Polarisationseigenschaften wurde dieser Messplatz mit einer Polarisations-Analysator-Einheit ausgestattet. Sie besteht aus einer drehbaren superachromatischen λ/4-Verzögerungs¬platte und einem Linearpolarisator, dessen Durchlassrichtung hinsichtlich der nachfolgenden Detektionssystems festgehalten wird. Durch Messung der transmittierten Leistung bei verschiedenen Stellungen der schnellen Achse der Verzögerungsplatte lässt sich der Polarisations¬zustand des Lichts anhand seiner Stokes-Parameter bestimmen. Diese vier Parameter I, M, C und S beschreiben die Gesamtleistung (I), den linear polarisierten Anteil senkrecht und parallel zur Streuebene (M), den linear polarisierten Anteil unter +/-45° zur Streuebene (C) und den zirkular polarisierten Anteil (S).


Nicht nur die Polarisationseigenschaften der zu untersuchenden Probe beeinflussen das Messergebnis, auch die Polarisationseigenschaften der zur Messung verwendeten Lichtquelle müssen berücksichtigt werden. Es konnte gezeigt werden, dass das auf die Probe eingestrahlte Licht vollständig unpolarisiert ist, wie man es von einem homogenen Kugelstrahler erwartet. Daraus folgt, dass jegliche beobachtete Polarisation von der zu untersuchenden Probe stammen muss. Während für typische Proben (z.B. mattweiße Reflexionsstandards) in Standardgeometrien der Polarisations¬grad verhältnismäßig klein [1] ist, kann er für Effektpigmente bemerkenswert groß werden. Dies ist in Abb. 1 und 2 an zwei Beispielen zu sehen.

Abb. 1:     Wellenlängenabhängige Stokes-Parameter für das stark goniochromatische Interferenzpigment Chromaflair Magenta-Gold®, gemessen in-plane bei einem Einfallswinkel von 45° und einem Detektionswinkel von -30°.

 


       
Abb. 2:     Wellenlängenabhängige Stokes-Parameter für das stark goniochromatische Interferenzpigment Viola Fantasy®, gemessen wie zuvor in-plane und zusätzlich out-of-plane
(Einfallswinkel 60°, 0° und Detektionswinkel 60°, 10°, nahe an der Rückstreuung).


Dort sind die Stokes-Parameter für zwei verschiedene, stark goniochromatische Interferenzpigmente gezeigt. Abb. 1 zeigt das Pigment Chromaflair Magenta-Gold® (Viavi Solutions), gemessen bei einem Beleuchtungswinkel von 45° und einem Beobachtungswinkel von -30°. Nur der Parameter M (lineare Polarisation parallel bzw. senkrecht zur Streuebene) ist ungleich null, es tritt nur eine moderate Wellenlängenabhängigkeit auf und die Absolutwerte von M liegen bei maximal 5%. In Abb. 2 sind die Ergebnisse für das Pigment Viola Fantasy® (Merck KGaA) für die gleiche Geometrie gezeigt (schwarze Linien). Hier sind sowohl die Wellenlängenabhängigkeit als auch die Absolutwerte deutlich größer und diese erreichen Werte bis -22%. Viola Fantasy® wurde zusätzlich in einer out-of-plane Geometrie gemessen (Einfallswinkel 60°, 0°; Beobachtungswinkel 60°, 10°, was nahezu einer Rückstreu-Geometrie entspricht; blaue Linien). Auch hier ist der Polarisationseffekt deutlich, allerdings mit entgegengesetztem Verlauf verglichen mit der in-plane Geometrie. Allein diese Ergebnisse zeigen, dass die Polarisation bei Reflexionsmessungen von Effektpigmenten berücksichtigt werden muss.

Für das visuelle Erscheinungsbild solcher Pigmente, wie es von einem Betrachter wahrgenommen wird, mag die Polarisation zwar von geringer Bedeutung sein, da das menschliche visuelle System nicht sensitiv für Polarisation ist. Sobald jedoch optische Messungen mit polarisationssensitiven Komponenten (z.B. Gitter in einem Monochromator) durchgeführt werden, muss der Einfluss der Polarisation bestimmt werden. In der AG 4.24 werden dazu weitere Untersuchungen durchgeführt, um quantifizieren zu können, in welchen Fällen der Einfluss der Polarisation besonders groß ist und welche Stokes-Parameter ungleich null sind. Es hat sich gezeigt, dass bei keiner der bisher gemessenen Proben eine zirkulare Polarisation beobachtet werden konnte (S = 0). Meist liefert M den dominanten Beitrag, C ungleich 0 wurde bisher nur in out-of-plane Geometrien beobachtet. Die Kategorisierung der Stokes- Parameter abhängig von Probenart und Geometrie ermöglicht eine Abschätzung darüber, wann eine Polarisationsmessung in vollem Umfang notwendig ist und wann ein reduzierter Umfang reicht, um die Messung effizient zu gestalten.

(T. Quast tatjana.quast@ptb.de, A. Schirmacher und K. Hauer; FB 4.2)


Literatur:
[1] T. Quast, A. Schirmacher, K. Hauer, Polarization effect in diffuse reflectance measurements – comparison of white standards and special-effect pigment samples, Proceedings of the 4th CIE expert symposium on colour and visual appearance, 30-39, 2016

Kontakt

Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Dr. Dr. Jens Simon

Telefon: (0531) 592-3005
E-Mail:
jens.simon(at)ptb.de

Anschrift

Physikalisch-Technische Bundesanstalt
Bundesallee 100
38116 Braunschweig