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Neues Koinzidenzkriterium bei der Brechzahlbestimmung von Luft

01.12.2015

Die Darstellung der Länge mittels Interferometrie, z.B. bei Primärkalibrierungen von Parallelendmaßen, erfolgt fast immer in Luft, u.a. weil diese Maßverkörperungen auch unter atmosphärischen Bedingungen als Längennormale benutzt werden. Für die interferometrische Längenmessung steht in der PTB Licht von mehreren frequenzstabilisierten Lasern zur Verfügung, deren Wellenlängen durch die Luftbrechzahl n verändert wird air = λvac / n). Die genaue Bestimmung der Luftbrechzahl ist daher für die interferometrisch gemessene Länge notwendig, wobei diese zum einen von der Wellenlänge selbst, zum anderen von den Umgebungsbedingungen: Luftdruck p, Lufttemperatur t, Luftfeuchte f und dem CO2 Gehalt x abhängt. Die Luftbrechzahl kann auf zwei verschiedene Arten gemessen werden: 1) Bestimmung mittels einer empirischen Formel [1] und hochgenaue Messung der o.g. Luftparameter und 2) mittels Luftrefraktometer, d.h. interferometrisch. Das Grundprinzip der interferometrischen Brechzahlbestimmung ist in Abb. 1, links, gezeigt. Eine von beiden Seiten mittels großflächiger Fenster geschlossene evakuierte Zelle befindet sich im Strahlengang eines Interferometers. Ein kollimiertes Bündel von Lichtstrahlen einer Wellenlänge durchläuft zum einen das evakuierte Innere der Zelle, zum anderen passieren Lichtstrahlen der selben Wellenlänge die Zelle (und deren Fenster) außerhalb entlang eines gleichlangen geometrischen Weges. Durch den interferometrischen Vergleich der Lichtwege im Vakuum und in Luft mit unterschiedlichen Wellenlängen lässt sich die Brechzahl der Luft bestimmen. Im Falle des Kösters-Komparators zur interferometrischen Kalibrierung von Endmaßen bis 1 m stehen drei hochstabile Laser zur Verfügung. Für jede dieser Wellenlängen lässt sich, basierend aus der Kenntnis der Umgebungsparameter, ein Vorwert für die Brechzahl und damit ein Vorwert für die ganzzahligen Interferenzordnungen gewinnen. Bislang war es hierbei notwendig den Vorwert der Brechzahl so genau zu bestimmen, dass die Differenz der Lichtwege im Vakuum und in Luft auf eine Interferenzordnung genau bekannt war. Dieses Koinzidenzkriterium führt zwar in den meisten Fällen tatsächlich zum richtigen Ergebnis am Kösters-Komparator, allerdings muss hierbei immer die fehlerfreie hochgenaue Bestimmung der Luftparameter vorausgesetzt werden. Grundsätzlich schließt das bisherige Koinzidenzkriterium physikalisch falsche Brechzahlen mit ein, welches Fällen entspricht, in denen Relationen und n1/n2 oder n2/n3 den empirischen Formeln widersprechen.

Um dieses Problem zu lösen, und um neue Anwendungsfelder für die höchstgenaue Luftrefraktometrie zu eröffnen, wurde ein neues Koinzidenzkriterium vorgeschlagen [2], der “overall dispersion value”, das ein Maß für die Güte der o.g. Relationen ist. Abb. 2 zeigt die Brechzahlen n1, n2, n3 welche sich im Fall des Kösters-Komparator ergeben, wenn der “overall dispersion value” als Koinzidenzkriterium benutzt wird. Diese sind nunmehr in einem sehr großen Bereich robust gegenüber Vorwerten, d.h. sogar ein um ±5 hPa falsch gemessener Druck würde nicht zum Problem für die Brechzahlbestimmung und damit für die Längenmessung werden.

Das neue Koinzidenzkriterium wurde in die Messsoftware am Kösters-Komparator der PTB integriert.

[1] G. Bönsch and E. Potulski, Metrologia 35(1998) 133–9

[2] R. Schödel, Measurement Science and Technology 26 (2015), 8, 084007-1 - 084007-9, dx.doi.org/10.1088/0957-0233/26/8/084007


Abb. 1:
links: Schematische Darstellung zur interferometrischen Brechzahlbestimmung der Luft mittels zentral angeordneter Vakuumzelle
rechts: Phasentopographie in welcher Φ1air,
Φ2air und Φvac mittlere Phasenwerte innerhalb von kreisförmigen Bereichen im Lichtweg Vakuum („vac“) und Luft („air“) bedeuten



Abb. 2: Veranschaulichung des Einflusses von falsch zugrunde gelegten Vorwerten für die Luftbrechzahl bei der Brechzahlbestimmung mittels Vakuumzelle am Beispiel des Kösters-Komparators unter Zugrundelegung des neuen Koinzidenzkriteriums. Die blaue Linie entspricht dem tatsächlich gemessenen Druck für welchen die Brechzahlvorwerte (geneigte Linien) sehr nah bei den interferometrisch ermittelten Brechzahlen (stufenförmig) liegen.

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