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Neue Bezugshörschwellen zur Anwendung mit einem Ohrsimulator für Neugeborene

06.11.2015

Da Neugeborene und Kleinkinder erst bei ziemlich lauten Schallereignissen eine Reaktion zeigen, die eine Hörempfindung beweist, werden bei Ihnen zur Gehörprüfung objektive Audiometrieverfahren, wie z. B. die Messung der durch akustische Stimuli ausgelösten Hirnströme, eingesetzt. Die Schallreize (Stimuli) werden dabei über Einsteckhörer wiedergegeben. Die dafür erforderlichen Bezugshörschwellenpegel können allerdings nur als äquivalente Schwellenschalldruckpegel von jungen Erwachsenen mit gesundem Gehör bestimmt werden.

Dabei kommt ein konventioneller Simulator für den abgeschlossenen Gehörgang (genormt in IEC 60318-4) zum Einsatz, der das Gehör Erwachsener nachbildet. Bei der Kalibrierung der Stimuli für die Audiometrie bei Neugeborenen und Kleinkindern mit diesem konventionellen Simulator besteht demzufolge der Widerspruch, dass die Hörschwellenpegel sich auf den Gehörgang des Erwachsenen beziehen, dessen Geometrie allerdings erheblich von der des Neugeborenen- und Kleinkindergehörgangs abweicht. Beispielsweise liegt das effektive Gehörgangvolumen eines 3 Monate alten Kindes in der Größenordnung von 0,5 cm³, während es beim Erwachsenen etwa 1,2 cm³ beträgt. Das führt dazu, dass sich im Kleinkindergehörgang, abhängig von Frequenz und Signalform, etwa 2 dB bis 10 dB höhere Schalldruckpegel einstellen als im konventionellen Ohrsimulator nach IEC 60318-4 und im mittleren Erwachsenen-Ohr.

Im Rahmen des EMRP-Projektes "EARS" wurde ein Prototyp für einen Simulator des abgeschlossenen Gehörganges entwickelt, der auf der Gehörganggeometrie von Neugeborenen beruht. Dieser Prototyp wird, zusammen mit dem genormten Erwachsenen-Ohrsimulator, in Bild 1 gezeigt. Jeweils daran angeschlossen ist der in der Audiometrie gebräuchliche Einsteckhörer Bio-logic SINSER.

Bild 1: EARS-Neugeborenen-Ohrsimulator Prototyp (A)  und Simulator für Erwachsenenohren (B). jeweils verbunden mit einem Bio-logic SINSER Einsteckhörer-System (C)

Für diesen Hörer wurden, im ersten Schritt, an 25 jungen Erwachsenen mit gesundem Gehör Bezugshörschwellen für die genormten Kurzzeitsignale (Bezugs-Impuls und –Kurztöne zur Auslösung auditorisch evozierter Potentiale) und für Reintöne bestimmt und am Erwachsenen-Ohrsimulator festgelegt. Zur Kalibrierung der Stimuli für die Neugeborenen und Kinder wird anschließend der EARS-Neugeborenen-Ohrsimulator-Prototyp verwendet, und es werden die im Erwachsenen-Ohrsimulator gemessenen Bezugspegel eingestellt. Bild 2 zeigt, in Abhängigkeit von der Frequenz und von der Art des Stimulus, wie viel niedriger bei dieser Vorgehensweise der Pegel im Kinderohr eingestellt werden kann.

Bild 2:Differenzen der äquivalenten Hörschwellenpegel für den Einsteckhörer Bio-logic SINSER zwischen EARS-Neugeborenen-Ohrsimulator (Prototyp) und Simulator für Erwachsenenohren (IEC 60318-4)

Bei Verwendung des Neugeborenen-Ohrsimulators zur Kalibrierung des Stimuluspegels für die Audiometrie von Neugeborenen und Kleinkindern wird der Stimulus also nicht mehr viel zu stark, sondern korrekt eingestellt. Damit werden zum einen falsche Schlussfolgerungen bei der Einschätzung des Hörvermögens der Kleinkinder und zum anderen eine unnötig hohe Schallbelastung der Kinderohren bei der Gehörprüfung vermieden.

Ansprechpartner:

Thomas Fedtke, FB 1. 6, AG 1. 61, E-Mail:Opens window for sending email Thomas.Fedtke(at)ptb.de
Johannes Hensel, FB 1. 6, AG 1. 61, E-Mail: Opens window for sending emailJohannes.Hensel(at)ptb.de

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