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Fertigungskette von Si-Kugeln und interferometrische Bestimmung des Kugelvolumens

Ein neuartiges Großringnormal zur Erprobung von Messverfahren für große Lagerringe

11.11.2016

An Großlager, wie sie in Windenergieanlagen verbaut werden, bestehen hohe Anforderungen hinsichtlich Geräusch und Lebensdauer. Für die Messung ihrer Komponenten existieren aber kaum Richtlinien oder Normen. So gehen die meisten Richtlinien und Messvorschriften für Ringe, die in nationalen Metrologieinstituten wie der PTB und in akkreditierten Laboratorien der Industrie angewandt werden, ex- oder implizit von Ringdurchmessern < 300 mm aus. Bei Ringen bis zu dieser Größe lassen sich z. B. gewichtskraftbedingte Durchbiegungseffekte, die beim Aufspannen auf Messgeräten auftreten können, weitgehend vernachlässigen.

Das durch das European Metrology Research Programme (EMRP) geförderte Projekt DriveTrain hat sich u. a. die Aufgabe gestellt, Empfehlungen für die Messung von Großlagerringen zu erarbeiten. Dabei wurde erkannt, dass bei Großbauteilen die Homogenität der Materialtemperatur und deren Thermalisierung eine (sehr) wichtige Rolle spielen und z. B. entsprechende Zeitkonstanten und Gradienten nicht einfach von Ringen geringerer Masse abgeleitet werden können.

Es wurde daher ein Großringnormal aus Stahl entwickelt, das einen Innendurchmesser von 600 mm aufweist. Mit einem Außendurchmesser von 800 mm und einer axialen Höhe von 200 mm führt dies zu einer Masse von rund 340 kg. Der Basisring wurde von einem Lagerhersteller aus einer für Großlager typischen Stahlsorte in für solche Lager typischen Bearbeitungsschritten hergestellt. In gleichmäßigen Abständen und in zwei Ebenen wurden zusätzlich in Bohrungen Temperatursensoren in das Materialvolumen eingelassen, um Informationen über das Thermalisierungsverhalten dieses massereichen Normals Erkenntnisse gewinnen zu können. Die dabei aufgenommen Messwerte sind auch zur Überprüfung theoretischer Thermalisierungsmodelle, die im DriveTrain Projekt entworfen wurden, genutzt worden.

Für den Ring selbst wurde eine Messvorschrift entwickelt, die weitgehend die Parametrisierung etablierter Messprozeduren für kleine Ringe auf die entsprechenden Dimensionen skaliert. Es wurde versucht, dabei eine Parametrisierung zu finden, die mindestens bis zu einigen Metern Lagerdurchmesser anwendbar ist. Dies gilt insbesondere für die Anzahl der notwendig zu erfassenden Datenpunkte für die Formmessung und für die anschließende Filterung. Die Messvorschrift konnte im Projekt erfolgreich bei der Kalibrierung des Rings mittels eines Koordinatenmessgeräts in der PTB und in einem Industrielabor angewendet werden. Der Ring zeigte sich steif genug, um bei der in Bild 1 gezeigten Aufspannung keine messbaren radialen Verformungen aufgrund seiner Eigenmasse zu zeigen. Axiale Verformungen wurden nicht messtechnisch überprüft, da sie für den Lagerbetrieb von nachrangiger Bedeutung sind. Ihr Einfluss wurde jedoch in Abhängigkeit von der Aufspanngeometrie theoretisch von Projektpartnern untersucht.

Die gewonnenen Erfahrungen wirken sicherlich pränormativ für die Messung bei Lagererstellern und sollen auch in die Normung einfließen.


Bild 1: Großringnormal während der Kalibrierung. Maße: Außen- und Innendurchmesser von 800 mm bzw. 600 mm, axiale Höhe von 200 mm, Masse von rund 340 kg

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