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Das Ende einer fragwürdigen Tradition: Trittschall-Dämmmaße sollten Norm-Trittschallpegel ersetzen

25.08.2014

Die Fähigkeit von Gebäuden, direkte Schallanregung wie z. B. Gehen von Menschen zu unterdrücken, wird messtechnisch so charakterisiert, dass ein kleines Hammerwerk als Anregung verwendet und der erzeugte Schallpegel im interessierenden Raum ("Norm-Trittschallpegel") bestimmt wird. Diese Methode ignoriert jedoch die mechanische Wechselwirkung von Quelle und angeregter Struktur und führt zu undurchsichtigen und oftmals irreführenden Ergebnissen. Ein Ersatz des Norm-Trittschallpegels durch ein sauber definiertes Trittschall-Dämmmaß kann hier Abhilfe schaffen.

Die zentrale Frage des baulichen Schallschutzes lautet: Wie erfolgreich können Bauelemente wie z. B. Wände und Decken Schall abwehren? Bei Luftschall-Ereignissen (Verkehrslärm, sprechende Nachbarn) kennzeichnet man dies mit dem "Schalldämm-Maß", d.h. der Pegeldifferenz der Schallleistungen, die auf das betrachtete Bauteil auftreffen bzw. von ihm durchgelassen werden. Bei Trittschall-Ereignissen hingegen, die übrigens auch zu Boden fallende Gegenstände und andere Arten direkter Körperschall-Anregung umfassen, hat sich ein anderes Verfahren eingebürgert: Man regt die zu kennzeichnende Decke mit einem genormten kleinen Hammerwerk an und bestimmt die ankommende Schallleistung im Raum darunter (genannt "Norm-Trittschallpegel"). Da dieses Geräusch praktisch keine Ähnlichkeit mit "Trittschallgeräuschen" des täglichen Lebens hat, versucht man, die gemessenen Pegel mittels additiver "Korrekturen" auf andere Quellen umzurechnen, beispielsweise gehende Personen.

Dieses Verfahren ist zwar bestechend einfach, da es aber die physikalischen Grundlagen ignoriert, liefert es undurchsichtige und häufig irreführende Ergebnisse.

Tatsache ist:
1) Nur eine Differenz der Schallleistungen vor und hinter dem betrachteten Bauteil – in der akustischen Terminologie ein Schalldämm-Maß – enthält erkennbare Information über die Wirkung des Bauteils.
2) Diese Differenz hängt aber von den mechanischen Eigenschaften der Quelle (hier der Quellimpedanz) genauso sehr ab wie von den mechanischen Eigenschaften des geprüften Bauteils, liefert also nicht den gewünschten Kennwert für das Bauteil allein. Die Konsequenz ist, dass für jeden Quelltyp ein eigenes Schalldämm-Maß gebildet werden muss, das auch nur mit dieser Art Quelle gemessen werden kann.

In der vorliegenden Arbeit wurde das System der Schalldämm-Maße aus dem Luftschall-Bereich sinngemäß auf Trittschall übertragen und zunächst für zwei häufig vorkommende Quelltypen in Wohngebäuden entwickelt, nämlich gehende Menschen und zu Boden fallende kleine, harte Gegenstände. Hierfür können – ein riesen Vorteil - zwei bereits genormte und allgemein eingeführte Messquellen übernommen werden, nämlich das Trittschall-Normhammerwerk und das sogenannte "modifizierte" Trittschall-Normhammerwerk, beide nach ISO 10140 [1]. Am Beispiel der Verbesserung zweier gängiger Deckenkostruktionen (eine Massiv- und eine Holzbalken-Decke) durch zusätzlich aufgebrachte Trockenestriche konnte gezeigt werden, dass das Trittschall-Dämmmaß die tatsächliche, gehörrichtig bewertete Pegelminderung in beiden Fällen treffend wiedergibt, während der herkömmliche Norm-Trittschallpegel insbesondere bei weichen Quellen (gehender Mensch barfuß oder mit weichen Schuhen) auf der leichteren Holzbalken-Decke die Verbesserung um Größenordnungen (ca 20 dB) überschätzt und damit für die Beurteilung der Einhaltung von Anforderungen völlig ungeeignet ist.

Fazit: Mit dem Einsatz einer zweiten Messquelle, die aus einer winzigen Modifikation der ersten Messquelle besteht, mit einer geringfügig modifizierten Auswertung als Schalldämm-Maß und ansonsten unter vollständiger Beibehaltung des bestehenden Messverfahrens könnten erstmals brauchbare Trittschall-Kennwerte für einen Großteil der praktisch auftretenden Geräuschsituationen erzeugt werden, ganz zu schweigen von dem enormen Vorteil einer gleichartigen Behandlung von Luft- und Trittschall in Form von Schalldämm-Maßen.

Literatur:

[1] ISO 10140, Acoustics – Laboratory measurement of sound insulation of building elements – Alle Teile (2010)

[2] Scholl, W.: Why not use impact sound reduction indices instead of impact sound pressure levels? Acta Acustica 3, 2011

[3] Scholl, W., Ciszewski, R., Wittstock, V.: Why not use impact sound reduction indices instead of impact sound pressure levels? Part 2: Application to different impact sources.  Acta Acustica 6, 2013

Ansprechpartner:

Werner Scholl, FB 1.7, AG 1.72, E-Mail: werner.scholl@ptb.de