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Die Strontium-Gitteruhr der PTB tickt

Besonders interessant für:
  • höchstgenaue Zeit- und Frequenzmessungen
  • Fundamentalphysik im Weltraum
  • Metrologieinstitute

Die Frequenz der auf neutralen Strontium-87-Atomen basierenden optischen Gitteruhr wurde durch Vergleich mit einer Cäsium-Fontänenuhr der PTB mit einer relativen Unsicherheit von 1 ⋅ 10–15 bestimmt. Verschiebungen des Strontium-Referenzübergangs bei 429 THz sind auf dem Niveau von besser als 2 ⋅ 10–16 unter Kontrolle.

Strontium-Apparatur mit einer blau fluoreszierenden Wolke kalter Atome im Vakuumsystem. Oben rechts: publizierte Frequenzen des 87Sr-Uhrenübergangs 1S0 – 3P0 bei 429 THz (entspricht 698 nm) und das Ergebnis der PTB-Messung. Die senkrechte Linie gibt die Empfehlung des CIPM wieder, die gestrichelten Linien ihre Unsicherheit. (Abbildung: Steinmetz/VISUM)

Die Entwicklung von optischen Frequenzstandards wird an vielen Metrologie- und Universitätsinstituten intensiv betrieben, um zukünftig die Basiseinheit Sekunde genauer darstellen zu können. Eine Gruppe dieser Experimente nutzt dabei den elektronischen Übergang 1S03P0 von 87Sr. Bei solchen optischen Frequenzstandards werden – im Gegensatz zu Cs-Uhren mit ihren Mikrowellenübergängen – sehr schmale Absorptionslinien im sichtbaren Spektralbereich abgefragt, woraus sich eine erheblich höhere Stabilität ergibt. Auch die systematischen Unsicherheiten sind in einigen Fällen deutlich kleiner als die von primären Cs-Uhren.

In optischen Uhren kommen als Absorber entweder gefangene einzelne Ionen oder Wolken kalter Neutralatome zum Einsatz. Im Falle von Gitteruhren mit Strontium werden neutrale Atome in einem starken Laserfeld – dem optischen Gitter – gefangen, wozu sie mit Lasern auf einige millionstel Kelvin heruntergekühlt werden müssen. Die Bewegung der Atome ist dann auf den Bruchteil einer optischen Wellenlänge reduziert, wodurch der Doppler-Effekt vernachlässigbar wird. Strontium-Gitteruhren werden weltweit in mindestens acht Laboratorien entwickelt. Von drei Experimenten liegen Frequenzmessungen des Uhrenübergangs vor, die sehr gute Übereinstimmung zeigen. Jetzt wurde in der PTB erstmals die Frequenz des Uhrenübergangs von 87Sr im Vergleich mit einer der Cs-Fontänenuhren der  PTB gemessen. Bei dieser Frequenzmessung erreichte das Strontium-Normal eine relative Unsicherheit von unter 2 ⋅ 10–16, sodass diese systematischen Beiträge die Gesamtunsicherheit von 1 ⋅ 10–15 nur wenig beeinflussen.

Weitere Optimierungen sind nötig, um die Messunsicherheit noch weiter zu verringern. Dazu gehört, die Temperatur der Schwarzkörperstrahlung der Umgebung, die den Uhrenübergang beeinfl usst, besser als jetzt zu kontrollieren und den atomaren Verschiebungskoeffi zienten genauer zu bestimmen. Um entsprechende Messungen durchführen zu können, müssen die Atome zur Abfrage des Referenzübergangs in eine sehr gut kontrollierte Umgebung transportiert werden. Ein entsprechender Aufbau befindet sich in der Testphase. Mit diesem wird es im Uhrenbetrieb möglich sein, die Unsicherheit dieser Verschiebung auf wenige 10–18 der optischen Frequenz zu reduzieren. Dadurch wird Strontium zu einem vielversprechenden Kandidaten für eine Neudefinition der Sekunde.

Ansprechpartner:

Christian Lisdat
Fachbereich 4.3 Quantenoptik und Längeneinheit
Tel. (0531) 592-4326
E-Mail: christian.lisdat(at)ptb.de

Wissenschaftliche Veröffentlichung:

S. Falke, H. Schnatz, J.S.R. Vellore Winfred, T. Middelmann, S. Vogt, S. Weyers, B. Lipphardt, G. Grosche, F. Riehle, U. Sterr, C. Lisdat: The 87Sr optical frequency standard at PTB. Metrologia. Eingereicht. Online: arxiv.org/abs/1104.4850