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Schutzgerät für frequenzumrichtergespeiste Antriebe

05.11.2009

Basierend auf den in der PTB gewonnenen Erkenntnissen zum Erwärmungsverhalten umrichtergespeister Antriebe und dem neu entwickelten Prüf- und Zertifizierungskonzept [1, 2] erfolgte im Rahmen eines über das PRO INNO II Förderprogramm geförderten Forschungsprojektes zusammen mit einem mittelständischen Industrieunternehmen die Entwicklung eines Motorschutzgerätes für frequenzumrichtergespeiste Antriebe. Ziel ist es dabei zum einen auf die Forderung der Implementierung einer frequenzabhängigen Strombegrenzung (Bild 1) in den Frequenzumrichter durch den Hersteller, und zum anderen auch auf die zusätzliche Forderung nach einer zweiten, funktionsgeprüften Schutzmaßnahme verzichten zu können. Diese zusätzliche Maßnahme wird im Regelfall durch in die Wicklung eingebettete Kaltleiter zusammen mit einem gemäß Richtlinie 94/9/EG als Überwachungsgerät zertifizierten Auswertegerät realisiert. Dieses ist erforderlich, da der Frequenzumrichter nicht geprüft und zertifiziert wird, und dieses wegen des hohen Aufwandes von den Herstellern auch nicht gewünscht ist.

 
Bild 1: drehzahlvariable Strombegrenzung aus der EG-Baumusterprüfbescheinigung

Eine wesentliche Anforderung an das Schutzgerät ist es dabei, alle Betriebszustände des Motors über die elektrischen Parameter zu erkennen, die zu einer unzulässig hohen und den Explosionsschutz in Frage stellenden Erwärmung führen würden.

Häufige Fehlerfälle

Die Überlastung gilt als häufigster Störungsfall, der analog zum netzgespeisten Motor über den Anstieg des Stromeffektivwertes erkannt werden kann. In Abhängigkeit des Grades der Überlast erfolgt bei einem netzgespeisten Motor die Abschaltung gemäß der Auslösekennlinie des Motorschutzschalters nach definierter Zeit. Im einfachsten Fall wird dazu das thermische Verhalten des Motors durch das Schutzgerät über ein so genanntes Einkörper-Ersatzschaltbild nachgebildet. Der Bemessungsstrom des Motors wird bei einem netzgespeisten Antrieb bei der Inbetriebnahme eingestellt und bleibt dann unverändert bestehen. Bei einem eigenbelüfteten, umrichtergespeisten Antrieb (der Mehrzahl der frequenzumrichtergespeisten Antriebe) ist die Situation jedoch grundverschieden. Da bei diesen Maschinen der thermische Widerstand zur Umgebung stark drehzahlabhängig ist,  (Bild 2) muss der dauernd zulässige Bemessungsstrom mit fallender Frequenz reduziert werden. Dieses ist eine zentrale Funktionalität des neu entwickelten Schutzgerätes.

 
Bild 2: thermisches Modell einer eigenbelüfteten Asynchronmaschine

Kurzzeitige Überlastungen in gewissen Grenzen sind zulässig, dabei nehmen die in Bild 2 dargestellten Wärmekapazitäten Wärmeenergie auf und verlangsamen somit den Temperaturanstieg. Eine weitere Forderung an das Schutzgerät ist daher gewesen, die Wärmekapazitäten der Maschine entsprechend zu berücksichtigen, kurzzeitige Überlastungen zuzulassen und die Überlastzeit in Abhängigkeit des Überlastgrades zu begrenzen. Eine weitere Forderung an das Schutzgerät ist gewesen, das Abkühlverhalten der Maschine abzubilden, um auch bei intermittierenden, kurzzeitigen Überlastungen unzulässige Erwärmungen zu vermeiden. [3]
Wird aufgrund des hohen Stromes eine blockierte Maschine erkannt, erfolgt die sofortige, unverzögerte Abschaltung.  

Weitere kritische Fehlerfälle

 Damit das Schutzgerät später beim Betreiber des Motors seine Funktion sicher erfüllt, muss es noch weitere, kritische Fehlerzustände erkennen und abschalten. Hier seien zunächst die Fehler „Unterspannung“ und „Überspannung“ für die aktuelle Betriebsfrequenz genannt, die durch einen Umrichterfehler bzw. falsch parametrierten Umrichter verursacht werden können. Beide Fehlerfälle führen zu einem Anstieg der Maschinenverluste und müssen erkannt werden, bevor unzulässige Erwärmungen auftreten.
Durch die Überwachung der Minimalfrequenz wird sichergestellt, dass der Motor anläuft und nicht an der eventuell zu gering eingestellten Stromgrenze des Umrichters „hängt“. Eine sicherheitstechnisch sehr bedeutsame Grenze   ist die Maximalfrequenz des Umrichters. Deren Überschreitung führt zu unzulässig hohen Motordrehzahlen mit der Gefahr mechanischer Schäden und wirksamer Zündquellen. Die Abschaltung des Umrichters muss daher unverzögert erfolgen.
Als weitere Funktion wurde eine Stromunsymmetrieerkennung hinzugefügt, um den bei im Dreieck geschalteten Motoren bei Phasenausfall möglicherweise auftretenden Wicklungsstrangüberhitzungen vorzubeugen. Damit wird auch die Forderung aus der EN 60079-14 [4] nach einem Phasenausfallschutz erfüllt.

 Test des Schutzgeräteentwurfes

Vor Beginn der Prototypentwicklung wurde mittels der Labview-Entwicklungsumgebung ein Rechnermodell des Schutzgerätes programmiert und die Funktion mit simulierten Messdaten und an realen Antriebssystemen getestet. Die elektrischen Größen wurden dabei über einen Poweranalyzer gemessen und als Eingabedaten für die Simulationssoftware verwendet. Später sollen diese Messgrößen durch das Schutzgerät über vorgeschaltete Wandler für Strom und Spannung erfasst werden. Es zeigte sich, dass das Schutzgerätekonzept alle Anforderungen erfüllte und eine Motorüberlast sowie die anderen hier beschriebenen Fehlerfälle sicher erkannt wurden. Die über das Rechnermodell simulierte Funktionalität konnte daher durch den Industriepartner bei der Prototypenentwicklung (Bild 3) umgesetzt werden.

 

 
Bild 3: Konzept des Motorschutzgerätes für umrichtergespeiste Antriebe


[1] Lehrmann, C.: Über ein Zulassungsverfahren für explosionsgeschützte,         umrichtergespeiste Käfigläufer der Zündschutzart „Erhöhte Sicherheit“; Dissertation        Leibniz-Universität Hannover 2006; erschienen im Shaker-Verlag, Aachen
[2] Lehrmann, C., Pape, H., Dreger, U., Lienesch, F.: Umrichtergespeiste Antriebe – ein        neuartiges Schutzkonzept für Antriebe in explosionsgefährdeten Bereichen; Ex-       Zeitschrift R. Stahl Schaltgeräte GmbH, Heft 38/2006, S. 36 - 47
[3] Haas, H.P.: Die Elektronik erobert den Motorschutzmarkt - Wirtschaftlicher und effizienter Motorschutz mit elektronischen Überlastrelais; Technica : internationale technische Zeitschrift, AZ-Fachverlag Aarau, Band 47 (1998), Heft 23, S. 20 – 27
[4] EN 60079-14: Explosionsfähige Atmosphäre – Teil 14: Projektierung, Auswahl und Errichtung elektrischer Anlagen; Beuth-Verlag Berlin, Mai 2009

 

Ansprechpartner:

C.Lehrmann, AG 3.72, christian.lehrmann(at)ptb.de