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Elektrisch-thermische Messungen

 

 

Die Elektrisch-Thermische Prüfung ist neben der Prüfung der mechanischen Ausführung ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg zur EG-Baumusterprüfbescheinigung bei einer explosionsgeschützten elektrischen Maschine. Die bei dieser Prüfung ermittelten Daten bilden die Basis des Datenblattes der EG-Baumusterprüfbescheinigung und gewährleisten bei deren Einhaltung einen sicheren Betrieb des Motors.
Die elektrisch-thermische Prüfung umfasst die folgenden Punkte:

 

  • Überprüfung, ob die Wicklungsausführung den Kriterien der Zündschutzart "e" gerecht wird
  • Bestimmung / Verifizierung der Bemessungsdaten der Maschine
  • Bestimmung der Dauerbetriebserwärmung
  • Bestimmung der Erwärmung im blockierten Zustand
  • Überprüfung des Maschinenschutzes / Bestimmung der Zeit tE und des Verhältnisses  Anzugsstrom / Bemessungsstrom

 

Prüfungen



Erwärmungsmessung - Bestimmung der Dauerbetriebserwärmung

 

Motor und Belastungsmaschine gekuppelt über eine Drehmomentmesswelle
Screenshot der Messdatenerfassungssoftware für einen Maschinenprüfstand

Bei der Durchführung der Erwärmungsmessung wird der Prüfling mit der vorgesehenen mechanischen Last belastet und während des Versuches die aufgenommene elektrische Leistung, die abgegebene mechanische Leistung sowie Strom, Spannung, Drehzahl und Drehmoment gemessen und automatisch protokolliert. Die Messung kann dann beendet werden, wenn sich während des Betriebes an keiner relevanten Stelle die Temperatur um mehr als 2 K pro Stunde ändert (thermischer Beharrungszustand gemäß EN 60034). Die Temperatur der Statorwicklung wird über die temperaturabhängige Widerstandsveränderung aus einer Wicklungswiderstandsmessung bei kalter Maschine vor dem Versuch und bei betriebswarmer Maschine nach Erreichen des thermischen Beharrungszustandes berechnet. Die Rotortemperaturmessung erfolgt nach dem Versuch über einen durch eine Öffnung im Lagerschild eingeführten Fühler am Kurzschlussring. In der oberen Abbildung ist der Prüfling auf der linken Seite angeordnet, die Belastungsmaschine (Asynchronmaschine mit Frequenzumrichter) befindet sich rechts. Darunter ist ein Screenshot der automatischen Messdatenaufzeichnung abgebildet.

 

Temperaturmessung

 

 

Mit Thermoelementen präparierter Maschinenklemmenkasten

 

Die Temperaturmessung an den wärmsten Stellen am Gehäuse erfolgt über Thermoelemente, die in kleinen Bohrungen verstemmt werden, um einen möglichst guten Wärmeübergang zu gewährleisten. Zusätzlich erfolgt eine Temperaturmessung an Elastomerdichtungen, an Kabeleinführung und Aderverzweigung sowie an eventuell vorhandenen Anbauteilen. Es muss sichergestellt werden, dass sowohl die Grenztemperatur der Temperaturklasse, für die der Motor zertifiziert werden soll, als auch die zulässigen Dauereinsatztemperaturen der verwendeten Kunststoffe und Anbauteile nicht überschritten wird. Die Temperaturmessung des Stators und des Rotors ist bei den Zündschutzarten "Erhöhte Sicherheit" für die Zone 1 und "nA" für die Zone 2 erforderlich. Bei den Zündschutzarten "Druckfeste Kapselung" und "Schutz durch Gehäuse" (Staub) muss nur die Erwärmung der Gehäuseoberflächen geprüft werden. Als weitere Bedingung dürfen die thermischen Grenzen der Maschinenkomponenten nicht verletzt werden.

 

Betrachtung des Fehlerfalles "blockierter Zustand"

 

 

Festgebremster Motor, aus einer Öffnung im Lagerschild sind Thermoelemente herausgeführt
Zeichnung einer Maschine und Foto eines Thermoschreibers, beides ist mit den Thermoelementleitungen verbunden

 

 

 

 

 

Dieser Fehlerfall kann z.B. bei einer blockierten Arbeitsmaschine auftreten. Charakteristisch hierfür ist, dass der Motorstrom ein mehrfaches des Bemessungsstromes erreicht (z.B. achtfach) und sich die Maschine innerhalb kürzester Zeit sehr stark erwärmt. Ohne Motorschutz wären die zulässigen Grenztemperaturen innerhalb weniger Sekunden überschritten. Daher muss die Maschine über eine zeitabhängige Überstromschutzeinrichtung (Motorschutzschalter) oder über in die Wicklung eingebettete Kaltleiter vor unzulässigen Erwärmungen infolge Überlastung geschützt werden.
Zur Messung der Maschinenerwärmung im festgebremsten Zustand wird der Rotor wie in der Abbildung dargestellt über die Länge gestaffelt mit Thermoelementen präpariert und der blockierte Motor für eine definierte Zeit, z.B. 15 s, eingeschaltet. Der Temperaturverlauf des Rotors wird über einen Temperaturschreiber aufgezeichnet, die Statorwicklungstemperatur wird nach dem Abschalten über die Wicklungswiderstandserhöhung bestimmt. Der Blockierversuch wird mit beiden Drehfeldrichtungen durchgeführt, wobei sich bei geschrägt ausgeführten Läuferstäben im Rotor messbare Unterschiede in der Erwärmung ergeben. Für die weitere Auswertung wird das Drehfeld mit den größten Erwärmungen herangezogen.
Bei Maschinen der Zündschutzart "Druckfeste Kapselung" muss der Blockierfall nicht betrachtet werden, da angenommen wird, dass bei einem dem Stand der Technik entsprechenden Motorschutz aufgrund der hohen Wärmekapazität des Statorblechpaketes und des Gehäuses an der Gehäuseoberfläche keine zündgefährlichen Erwärmungen auftreten
Bei der Zündschutzart "nA" für die Zone 2 muss der Fehlerfall, also der blockierte Zustand, ebenfalls nicht betrachtet werden.

 

Berechnung der Zeit tE

 

 

Darstellung der Zeit tE
Foto eines Thermoschreibers

 

Die Zeit tE ist eine sehr wichtige Größe im Datenblatt der EG-Baumusterprüfbescheinigung für die Zündschutzart "Erhöhte Sicherheit". Dieser Wert sagt aus, nach welcher Zeit die Überstrom-schutzeinrichtung (Motorschutzschalter) den Motor im blockierten Zustand spätestens abschalten muss.
Zu deren Bestimmung werden die Dauerbetriebserwärmung und die Temperaturanstiegs-geschwindigkeit im blockierten Zustand für Stator und Rotor benötigt. Bei der Berechnung wird ausgehend von der Dauerbetriebstemperatur und den maximal zulässigen Temperaturen für Rotor und Stator die maximal zulässige Temperaturzunahme im blockierten Zustand ermittelt und über die Temperaturanstiegsgeschwindigkeit die maximale Zeitdauer für den blockierten Zustand für beide Drehfeldrichtungen berechnet. Der kleinere der beiden Zahlenwerte ergibt abzüglich eines eventuell zu berücksichtigenden Sicherheitsabschlages die Zeit tE.
Wird die Maschine über eine Einrichtung zur direkten Temperaturüberwachung, z.B. Kaltleiter, geschützt, so muss durch einen Überlastversuch und einen Abschaltversuch bei blockierter Maschine nachgewiesen werden, dass auch im Fehlerfall keine unzulässigen Temperaturen auftreten.
Die maximal zulässigen Erwärmungen ergeben sich aus den Normen EN 60079-0 (Temperaturklassen) und EN 60034 (Wärmeklassen der Wicklungsisolation)

 

Frequenzumrichtergespeiste Maschinen

 

Entstehung der Überspannungen umrichtergespeister Motor
Bild drehzahlvariable Stromgrenze
In der Vergangenheit war es bei frequenzumrichtergespeisten Maschinen der Zündschutzart "Erhöhte Sicherheit" erforderlich, Motor und Frequenzumrichter als eine Einheit zusammen zu prüfen und zu zertifizieren, was sehr viel Aufwand bedeutete. Mit dem neu eingeführten Prüf und Zertifizierungsverfahren ist diese Forderung nicht mehr vorhanden, und die Maschine kann an einem beliebigen Frequenzumrichter betrieben werden, wenn dieser die in der EG-Baumusterprüfbescheinigung spezifizierten Anforderungen einhält.
Wird eine Asynchronmaschine über einen Frequenzumrichter gespeist, so ergeben sich gegenüber dem Betrieb am Netz einige Besonderheiten, die berücksichtigt werden müssen:
Die in der Maschine umgesetzte Verlustleistung nimmt aufgrund der Oberschwingungsverluste zu, daraus folgen höhere Dauerbetriebserwärmungen. Gleichzeitig muss jedoch der Fehlerfall "blockierter Zustand" nicht betrachtet werden, da der Frequenzumrichter bei korrekter Auslegung gemäß den Anforderungen der EG-Baumusterprüfbescheinigung einen derart hohen Strom wie bei Betrieb am Netz gar nicht liefern kann. Desweiteren erfolgt der Anlauf durch die langsame Steigerung der Umrichterausgangsfrequenz näherungsweise mit Bemessungsschlupf, so dass auch hier keine starken Erwärmungen zu erwarten sind. In vielen Fällen kann die Bemessungsleistung des Motors gegenüber Netzbetrieb sogar erhöht werden.
Berücksichtigt werden muss auch die abnehmende Kühlwirkung bei eigenbelüfteten Maschinen mit fallender Drehzahl, und um eine Überhitzung zu vermeiden muss die Belastung reduziert werden. Realisiert wird dieses durch eine drehzahlvariable Strombegrenzung des Frequenzumrichters, einem zentralen Punkt des neuen Prüf- und Zertifizierungskonzeptes. Zusätzlich ist eine Temperaturüberwachung mittels Kaltleiter in Kombination mit einem gem. Richtlinie 2014/34/EU funktionsgeprüftem Auswertegerät erforderlich.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Isolationssystem der Statorwicklung, welches für die beim Betrieb am Frequenzumrichter auftretenden transienten Überspannungen geeignet sein muss.