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Neue, präzise Modellgleichung für den Düsenbeiwert kritischer Düsen im Hoch- und Niederdruck

29.06.2016

Die Modellgleichung für den Düsenbeiwert (cD) wurde bisher je nach Strömungssituation in der Grenzschicht (laminar oder turbulent) mit getrennten Ansätzen und entsprechend voneinander unabhängigen Parametern beschrieben. Der neue Ansatz verbindet die Parameter beider Ansätze erstmals über eine feste Relation. Gleichzeitig wurde das Realgasverhalten der Fluide mit einbezogen, das sich durch die Änderung der Prandtl-Zahl und des Isentropen-Exponenten im Düsenbeiwert in Abhängigkeit vom Druck auswirkt.

Die Darstellung des Düsenbeiwertes (discharge coefficient) cD einer kritisch betriebenen Venturidüse als Funktion der Reynoldszahl konnte präzisiert und dabei zum ersten Mal eine feste Relation zwischen dem Messverhalten bei hohen und niedrigen Drücken hergestellt werden. Grundlage hierfür war eine deutlich verbesserte experimentelle Datenlage durch Vergleichsmessungen mit anderen NMIs (PTB-Jahresbericht 2015) mit Erdgas und Luft als Prüfmedium in einem Druckbereich von 70 kPa bis 5 MPa sowie die Erweiterung der Messmöglichkeiten der PTB mit Luft bis 1,6 MPa.

Die Beschreibung des cD-Wertes als Funktion der Reynoldszahl ist abhängig vom Zustand der Grenzschicht hinsichtlich laminarer oder turbulenter Strömungssituation und lässt sich für diese Bereiche formulieren als:

$$ c_\mathrm{D,lam} = a-b_\mathrm{lam}\cdot Re^{-0,5}$$ sowie $$ c_\mathrm{D,turb} = a - b_\mathrm{turb} \cdot Re^{-0,139}\text{.}$$

Der Übergang (Transition) von laminarer zu turbulenter Grenzschicht kann durch eine geeignete Transitionsfunktion beschrieben werden:

$$ c_\mathrm{D} = s_\mathrm{a}\cdot c_\mathrm{D,lam} + s_\mathrm{e}\cdot c_\mathrm{D,turb}$$ mit  $$ s_\mathrm{a,e} = 0,5\left\{1\mp\tanh\left[  k_\mathrm{u}\mathrm{lg}\left(\frac{Re}{Re_\mathrm{tr}}\right)\right]\right\}\text{.}$$

Dabei definiert der Parameter Retr den Übergangspunkt im Reynoldszahlen-Bereich und ku die Breite des Übergangsbereiches.

Die Bestimmung aller fünf Parameter der oben genannten Gleichungen war in der Vergangenheit insbesondere wegen der schwachen Datenbasis im Übergangsbereich und im Bereich der höheren Drücke/Reynoldszahlen mit hohen Unsicherheiten verbunden. Neben der schon genannten Vergrößerung der Datenbasis konnten zusätzlich theoretische Überlegungen aus früheren numerischen Untersuchungen [1] herangezogen und bestätigt werden, die eine feste Relation zwischen den Parametern blam und bturb zugrunde legen:

$$ b_\mathrm{turb} = 0,0037 \cdot  b_\mathrm{lam}^{1,736}\text{.}$$

Damit wurde einerseits die Anzahl der Parameter auf vier reduziert und andererseits das Messverhalten der kritischen Düse im Niederdruck und Hochdruck eindeutig miteinander verkoppelt.

Die letzte Präzisierung in der Modellgleichung betrifft die Einbeziehung der Prandtl-Zahl Pr und des Isentropen-Exponenten k in die Bestimmung von$$ b_\mathrm{lam} = b_\mathrm{lam,0}\cdot G(Pr,k)$$ nach [2], die den Einfluss des Realgasverhaltens auf die Grenzschichten widerspiegelt.

Bild 1 zeigt exemplarisch die Messdaten und die zugehörige Funktion des cD-Wertes (für Luft und Erdgas) für einen bilateralen Vergleich LNE-PTB. Die hier genannten Relationen konnten mittlerweile für 15 Düsen bestätigt werden. Für blam,0 ergaben sich Werte zwischen 2,6 und 5,6. Dabei sind die beiden in der ISO9300 definierten Bauformen (zylindrisch und toroidial) zur Anwendung gekommen.

Bild 1: Experimentelle Daten für den cD-Wert einer Düse sowie die angepasste Funktion cD=f(Re,Pr,k) unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Realgasverhaltens von Luft bzw. Erdgas.

 

Literatur:

[1] Mickan, B., Kramer, R., Dopheide, D., Determination of Discharge Coefficient of Critical Nozzles Based on Their Geometry and the Theory of Laminar and Turbulent Boundary Layers, Proceedings of the 6th International Symposium on Fluid Flow Measurement, Queretaro, Mexico, May, 2006.

[2] Geropp, D., Laminare Grenzschichten in Überschalldüsen, Deutsche Luft- und Raumfahrt, Forschungsbericht 01 TM 8603-AK/PA 1, 1987.

Ansprechpartner:

Bodo Mickan, FB 1. 4, AG 1. 43, E-Mail:Opens window for sending email bodo.mickan @ptb.de