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Ursachen von Zellschädigungen im Zusammenhang mit Katarakt-Operationen zur Behandlung des grauen Stars

01.01.2014

Nach einer Katarakt-Operation werden bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten Schädigungen der auf der Innenseite der Hornhaut liegenden Endothelzellen beobachtet. Die Ursachen für diese Zellschäden sind bisher nur unvollständig geklärt und können zu einer Beeinträchtigung der von diesen Zellen bewerkstelligten Hornhautdehydrierung führen. Die in diesem Fall geminderte Leistungsfähigkeit der Endothelzellen verursacht bei den betroffenen Patienten eine vorrübergehende Schwellung der Hornhaut. Bei sehr seltenen Vorbelastungen durch Vorerkrankungen oder früheren Augenoperationen besteht jedoch zudem die Gefahr einer Hornhaut-Trübung und damit einer permanenten Erblindung des Patienten. In einem interdisziplinären Forschungsprojekt mit Beteiligung von Augenärzten konnten an der PTB nun neue Erkenntnisse über die mögliche Ursache für die Zellschädigungen erzielt werden.

Pro Jahr wird bei ca. 800.000 Menschen in Deutschland die altersbedingt getrübte Augenlinse operativ entfernt und durch eine Kunstlinse ersetzt [1]. Ein solcher Eingriff zur Behandlung der Katarakt, auch als grauer Star bekannt, gehört zu den häufigsten Operationen in Deutschland und wird in den meisten Fällen ambulant durchgeführt. Bei der als Phakoemulsifikation bezeichneten Standardmethode wird ein Ultraschallinstrument, die sogenannte Phakoemulsifikationsnadel, in das Auge eingeführt und die Linse innerhalb des Kapselsackes fragmentiert und über einen Saug-Spül-Mechanismus abgesaugt, welcher einen konstanten Flüssigkeitsdurchfluss gewährleistet.

Verschiedene Prozesse wie Reibung an der mit der Ultraschallfrequenz von rund 42 kHz vor und zurück schwingenden Phakoemulsifikationsnadel erzeugen Wärme und führen während der Operation zu einer Temperaturerhöhung im Auge welche an den Zellen des Hornhautendothels eine thermische Schädigung hervorrufen könnte. Zur experimentellen Überprüfung, ob von den erhöhten Temperaturen tatsächlich eine Gefahr für das Endothel ausgeht wurde die Temperaturentwicklung in Schweineaugen bei unterschiedlichen Operationsszenarien und Geräteeinstellungen gemessen. An denselben Augen konnte mit verschiedenen Methoden die Zellschädigung (siehe Bild 1) quantifiziert und auf eine Korrelation mit den zuvor gemessenen Temperaturwerten überprüft werden. Die Experimente zeigten, dass die in der Praxis üblichen Geräteeinstellungen nur moderate Temperaturerhöhungen am Endothel von maximal 2,5 °C hervorrufen. Zudem konnte keine Korrelation der Zellschädigung mit den gemessenen Temperaturwerten festgestellt werden. Vielmehr zeigte sich ein Zusammenhang zwischen den Schädigungen und der abgegebenen Ultraschall-Leistung.

Unter extremen, das heißt in der Praxis nur im Ausnahmefall auftretenden Bedingungen konnten jedoch ebenfalls hohe Temperaturen im für Zellen kritischen Bereich zwischen 40 °C und 50 °C nachgewiesen werden. Zur Entwicklung konkreter Handlungsanweisungen für Ärzte zur Vermeidung solcher Situationen fehlte bisher jedoch ein genaues Verständnis über die Prozesse die zu der Wärmeerzeugung im Auge führen. Die erstmalige mathematische Beschreibung dieser Prozesse im Rahmen des Projektes ermöglichte eine Lokalisierung und Quantifizierung der Wärmequellen sowie eine numerische Simulation der Wärmeverteilung innerhalb des Auges unter Berücksichtigung der extrem komplizierten Strömungsverhältnisse (siehe Bild 2). Nach erfolgreicher Validierung durch die experimentellen Daten konnte die Wärmeverteilung bei unterschiedlichen Geräteeinstellungen simuliert und unter dem Gesichtspunkt der thermischen Belastung der Zellen verglichen werden. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden konkrete Sicherheitsempfehlungen formuliert, die bei Einhaltung in der Praxis das Entstehen solch hoher Temperaturen von über 40 °C verhindern und zu einer Reduktion der thermischen Belastung am Hornhautendothel auf ein als unkritisch anzusehendes Maß führen. Für die Erklärung der auch bei den geringen Temperaturerhöhungen von unter 2,5 °C beobachteten Zellschädigungen müssen andere Schädigungsmechanismen ins Blickfeld gerückt werden.

Bild 1: Beispiel eines Schadens am Hornhautendothel eines Schweineauges.

Bild 2: Zeitlicher Temperaturverlauf in einer Schnittebene durch das Auge und die Phakoemulsifikationsnadel. Die Animation zeigt den Temperaturverlauf in Echtzeit für den Fall, dass die Phakoemulsifikationsnadel mit für Operationen typischen Einstellungen für 5 Sekunden im Auge angeschaltet wird. Die Simulation ergibt, übereinstimmend mit den Experimenten, nur sehr moderate Temperatursteigerungen am Hornhautendothel, welche nicht ursächlich für die beobachteten Zellschädigungen sein können. Eine solche Simulation der Temperaturverteilung ist für jede erdenkliche Geräteeinstellung möglich.

Literatur:

[1] Wille, E. & Popp, M.: Die Bewertung von Kataraktoperationen aus gesundheitsökonomischer Sicht. BDOC Bundesverband Deutscher Ophtalmochirurgen e.V., 2012 

Ansprechpartner:

Steffen Buschschlüter, FB 1.6, AG 1.62, E-Mail: steffen.buschschlueter@ptb.de